© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Frisch gepresst

Kriminellen-Ring. Nach dem Ersten Weltkrieg schießen in Berlin, wie auch im ganzen Deutschen Reich, sogenannte Ringvereine wie Pilze aus dem Boden. Mit Sport haben die Organisationen jedoch wenig am Hut. Ehemalige Strafgefangene mit illustren Spitznamen wie „Brillanten-Willi“ oder „Goldzahn-Bruno“ werden zu Ringbrüdern, um sich bei der Finanzierung von Anwälten zu unterstützen, gemeinsame Festivitäten zu planen, aber auch um ihren Einfluß in der Unterwelt auszubauen. Die Zusammenschlüsse organisieren Überfälle, beherrschen das Prostitutionsgewerbe und betreiben Schutzgelderpressung. Lange Zeit nimmt die Öffentlichkeit kaum Notiz von ihnen. Erst durch die „Schlacht am Schlesischen Bahnhof“ wird das Thema publik. Am 29. Dezember 1928 liefern sich Berliner Ringbrüder mit Hamburger Zimmerleuten eine Massenschlägerei, in deren Verlauf zwei Personen sterben und zahlreiche Anwesende durch Totschläger und Messer schwer verwundet werden. Die Historikerin Regina Stürickow unterfüttert in ihrem kurzweiligen Buch diese meist schauderhaften, oftmals auch skurrilen Anekdoten mit zahlreichen bislang unveröffentlichten Bildern, Gerichtsakten und Presseberichten. (ha)

Regina Stürickow: Pistolen-Franz & Muskel-Adolf. Ringvereine und organisiertes Verbrechen in Berlin 1920–1960. Elsengold Verlag, Berlin 2018, gebunden, 208 Seiten, Abbildungen, 26 Euro





Geheimdienste. Zeitgeschichtliche Beiträge Armin Fuhrers müssen stets „knallen“. Geht es etwa um das in der Wehrmacht eingesetzte Methamphetamin Pervitin, so fabuliert der Journalist gleich davon, daß „die Nazis ein ganzes Volk unter Drogen setzten (...), um den Kontinent zu erobern und die Juden zu vernichten“ (Focus, 8. Januar 2019). Diesem Prinzip folgend kommen auch seine in toto nicht unintessanten Funde aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes über das „Forschungsamt des Reichsluftfahrtministeriums“ nicht ohne fast klamaukhafte Superlative aus. Ganz sicher war „Görings NSA“ niemals „der größte Geheimdienst“ des Dritten Reiches, den kontrollierten doch wohl eher Wilhelm Canaris, Reinhard Heydrich oder Heinrich Müller. Dennoch rückt Fuhrer zurecht in den Fokus, daß der Ehrgeiz in jedem NS-Machtzentrum, ein eigenes geheimdienstliches Süppchen zu kochen, ungeahnte Potentiale freisetzen konnte. (bä)

Armin Fuhrer: Görings NSA. Das „Forschungsamt“ im Dritten Reich. Lau Verlag, Reinbek 2018, gebunden, 248 Seiten, 22,95 Euro