© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Die Freiheit lieben lernen
75 Jahre „Weg zur Knechtschaft“: Was wir auch heute von Hayek lernen können
Michael von Prollius

Konsequenter Liberalismus ist die Antwort auf zahlreiche Herausforderungen, vor denen der Westen steht. Ob Globalisierung, Protektionismus und Populismus oder EU-Krise samt Brexit; von der weltweiten Migration über Proteste und soziale Unruhen, wie die der sogenannten Gelbwesten in Frankreich, bis zur Finanzkrise und dem Umbau der Energieversorgung. Konsequente Liberale bieten Lösungen, die tatsächlich dem Gemeinwohl dienen.

Der Liberalismus ist eine Lehre vom Zusammenhang der Gesellschaft und dem Verhalten der Menschen. Das Ziel des Liberalismus ist Frieden – Frieden im Innern und zwischen den Staaten. Der Liberalismus will den Menschen nur eines geben: „Friedliche, ungestörte Entwicklung des materiellen Wohlstandes für alle, um so von ihnen die äußeren Ursachen von Schmerz und Leid fernzuhalten“, bemerkte mit zeitloser Eleganz einer der ganz großen Liberalen: Ludwig von Mises. Leid mindern und Freude mehren, ist das Ziel der Liberalen. 

Deshalb schauen sie stets auf alle Menschen und nicht auf einzelne Gruppen. Im Mittelpunkt der liberalen Lehre steht die Kooperation der Menschen. Aufgrund der Arbeitsteilung sehen sie in der Verbesserung der Situation in einem anderen Staat keine Verschlechterung der Lebensbedingungen in der eigenen Nation. Alles, was Liberale anstreben, dient dem Erhalt und dem Ausbau der wechselseitigen Kooperation der Menschen. Letzten Endes ist das die Kooperation der gesamten Menschheit. In diesem Sinne sind Liberale Humanisten und Kosmopoliten im besten Sinne.

Vor 75 Jahren erschien der Bestseller von Friedrich A. von Hayek „Der Weg zur Knechtschaft“. Das Buch ist den Sozialisten in allen Parteien gewidmet und eine zeitlose Warnung vor dem Etatismus. Die dunkle Bedrohung ist heute die Verstaatlichung durch eine schleichende Bürokratisierung, national und supranational. Eine Staatsreform ist unerläßlich. Die Gesellschaft schafft sich ihren Staat und nicht umgekehrt.

Zwei Jahrzehnte vorher publizierte Mises eine Analyse der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts: Nation, Staat und Wirtschaft. Der Erste Weltkrieg war der sukzessiven Zerstörung des Liberalismus und dem parallelen Aufstieg des Obrigkeitsstaates geschuldet, gepaart mit Imperialismus. Das Engagement für den Liberalismus ist heute erneut eine Jahrhundertaufgabe. 

Liberalismus ist unvereinbar mit Parteipolitik, die lediglich auf die Partei und ihre Anhänger gerichtet ist. Liberale treten für unbeschränkten Freihandel ein und wissen, daß Protektionismus zuallererst den eigenen Bürgern schadet. Entscheidend ist nicht wer regiert, sondern daß sich die Regierenden dem gleichen Recht aller beugen müssen. In einer liberalen Ordnung können Populisten nicht punkten; sie können weder den vermeintlich wahren Volkswillen vertreten noch gegen die herrschende Elite zu Felde ziehen, denn die Beschränkung der Macht durch das Recht bindet alle Hände. Stimmenkauf mit Vorteilen für die eigenen Anhänger und das Verteilen der damit verbundenen Kosten auf viele ist Unrecht. Der Staat ist fit und stark, nicht zuletzt durch politischen Wettbewerb eingehegt und erfüllt auf diese Weise seine überschaubaren Aufgaben erfolgreich. Die Bürger sind sozial, nicht der bürokratische Staatsapparat. 

Im Austritt einer Nation oder einer Verwaltungseinheit aus einer politischen Gemeinschaft sehen Liberale kein Problem, weil sie keine Anhänger des Obrigkeitsstaates sind und Nationalstaaten befürworten. Politischer Wettbewerb ist das Erfolgsgeheimnis des europäischen Kontinents. Wettbewerb eröffnet den Bürgern Wahlmöglichkeiten. Er setzt Anreize, sich an Bürgerwünschen zu orientieren und ermöglicht den Bürgern, mit den Füßen und ökonomisch mit dem Geldbeutel abzustimmen. Die EU unterminiert als politisches Kartell den zwischenstaatlichen Wettbewerb. Wo bleibt die politische Wettbewerbsaufsicht?

Menschen wandern von jeher aus weniger ergiebigen in ergiebigere Gebiete. In einer liberalen Ordnung ist das solange unproblematisch, wie die Zuwanderer nicht so massenhaft kommen, daß sie die ursprünglichen Einwohner be- oder gar verdrängen, wie sie unter dem Recht leben und für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen. Mit Milton Friedman gilt es zu wählen zwischen offenen Grenzen oder einem Sozialstaat. 

Auch auf die Finanzkrise hat der Liberale eine Antwort, nämlich gutes Geld zuzulassen. Die Zentralbanken sind als Inflationsbehörden verantwortlich für monetäre Konjunkturzyklen, für Boom und Bust. Die historisch bewährte Alternative ist gedecktes Geld und Währungswettbewerb. Sobald gilt, daß jeder für sein Handeln haftet, braucht es weder Rettungsschirme noch Haftungsunionen. Das Lob der Kleinheit wird wieder en vogue. Die Koordination von Ressourcen durch Menschen auf Märkten über Preise bleibt unerreicht. Eine Energiewende würde nicht aus politischen Gründen erfolgen, sondern sobald sie sachlich geboten ist – auf solider wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Grundlage –, realisiert durch Unternehmen und ihre Technologien, die sich ohne Subventionen als nützlich für die Konsumenten erweisen müssen. 

Konsequenter Liberalismus ist notwendiger denn je. Vor 25 Jahren gab es mit dem Zusammenbruch des Sozialismus das Startsignal. Heute gilt es, den Menschen erst wieder die Sehnsucht nach Freiheit zu lehren. Denn, wer die Freiheit liebt, ist mit sich und seinen Mitmenschen im reinen.






Dr. Michael von Prollius ist Publizist, Unternehmensberater und leitet den Wissenschaftskreis der Hayek-Gesellschaft.