© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Die Alterspyramide wird zum Bevölkerungsdöner
Deutschland in 30 Jahren: Prognosen sind immer schwierig. Aber Demographie ist eine exakte Wissenschaft. Die Bevölkerung wird überaltert sein, und wer jung ist, hat Migrationshintergrund. Wir Deutschen werden zu einer nationalen Minderheit unter vielen anderen Minderheiten
Michael Paulwitz

Kaum eine wissenschaftliche Disziplin kann so verläßlich und weitreichend vorausberechnen wie die moderne Demographie. Der Kassandra-Fluch der Bevölkerungswissenschaftler ist, daß ihre wohlbegründeten und beharrlich vorgetragenen Prognosen und Warnungen von der Tagespolitik nicht minder beharrlich in den Wind geschlagen werden, so daß negative Tendenzen durch kurzsichtige und ideologisch motivierte Fehlentscheidungen noch verstärkt werden. 

Geburtenrückgang und Migration verändern nicht nur Größe und Zusammensetzung der Bevölkerung, sondern mit ihr auch die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen des Gemeinwesens und seiner Institutionen. Das ist weit mehr als ein statistischer Verschiebebahnhof für Ziffern und Kenngrößen. Das berührt die Gültigkeit von Werten und Übereinkünften und damit den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft und ihre Fähigkeit zur Verteidigung und Selbstbehauptung.

Mehr als ein Drittel der Frauen lebenslang kinderlos

Nach der dreizehnten „koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung“ des Statistischen Bundesamts von 2015 wird bei einer jährlichen Netto-Zuwanderung von 130.000 bzw. 230.000 Personen die Gesamtbevölkerung bis 2060 von 82,5 Millionen auf 67,6 bis 73,1 Millionen zurückgehen. Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter von 20 bis 64 Jahren wird bis 2050 von 49,2 Millionen Menschen im Jahr 2013 auf 37,7 bis 40,6 Millionen Menschen sinken. Der Anteil der über 65jährigen wird dagegen von derzeit gut zwanzig Prozent auf über dreißig Prozent zunehmen; 2060 wird jeder dritte über 65 und jeder siebte sogar über 80 sein.

Der Altenquotient – also die Zahl der Personen im Rentenalter pro 100 Erwerbstätige – wird bis 2050 von derzeit 34 auf über 60 steigen. Bereits 2030 wird er über 50 liegen. Auch das ist keine Überraschung. Denn in diesem Jahr werden die letzten der geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Auf deren Höhepunkt, 1964, wurden in Deutschland jährlich über 1,3 Millionen Kinder geboren. Binnen weniger Jahre halbierte sich diese Zahl, die Geburtenrate sank auf 1,4 Kinder pro Frau und stagniert seither um diesen Wert. Seit 1972 gibt es jedes Jahr weniger Geburten als Todesfälle.

Diese Entwicklung trat in Deutschland früher und drastischer ein als im übrigen Europa. Weltweit einmalig ist auch die hohe Zahl an lebenslang kinderlosen Frauen – mehr als ein Drittel eines jeden Jahrgangs. In den nachfolgenden Generationen fehlen so schon die Eltern, die Kinder bekommen könnten. Auch bei einem Anstieg der Geburtenrate auf den bestandserhaltenden Wert von 2,1 Kindern pro Frau würde es Jahrzehnte dauern, den Abwärtstrend umzudrehen.

Für die Sozialsysteme hat das dramatische Folgen. Dezimierte Erwerbsgenerationen müßten mehr alte Menschen versorgen. Entweder müssen also die Rentenbeiträge erhöht, die Renten drastisch gekürzt oder aber aus dem allgemeinen Steueraufkommen mehr Zuschüsse gegeben werden. Gleichzeitig steigt, bei höherem Altersdurchschnitt und steigender Lebenserwartung, der Finanzbedarf für Pflege und Gesundheitsversorgung. Beispielsweise wird sich die Zahl der Demenzkranken bis 2050 auf mehr als drei Millionen Menschen verdoppeln.

Die fehlenden Steuer- und Beitragszahler können weder durch Produktivitätssteigerung noch durch Migration ausgeglichen werden. Bevölkerungswissenschaftler wie Herwig Birg rechnen das seit Jahr und Tag vor. Die erforderlichen Steigerungen der Produktivität sind unrealistisch, zumal alternde Gesellschaften weniger Innovationskraft haben.

Mit der Migration verhält es sich nicht anders. Soll der Altenquotient bis in 30 Jahren gleichbleiben, wäre nach UN-Berechnungen aus dem Jahr 2000 eine Gesamtzuwanderung von 188 Millionen Menschen erforderlich. Denn auch Migranten werden älter und erheben Ansprüche an die Sozialsysteme, zu denen sie wegen im Schnitt geringerer Qualifikation noch dazu weniger beigetragen haben.

Migration, wie sie jetzt stattfindet, bedeutet Vollgas auf dem Weg in den Abgrund. Die Mehrzahl der seit 2015 ins Land geströmten Zuwanderer wird lebenslang selbst von den Sozialsystemen abhängig sein. Für vergebliche Integrationsbemühungen werden enorme Summen aus dem Volksvermögen vergeudet, die eigentlich gebraucht würden, um Rücklagen zu bilden und die gesellschaftlichen Systeme zukunftsfester zu machen.

Die vergangene Woche vorgestellte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Hochschule Coburg im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel „Zuwanderung und Digitalisierung. Wieviel Migration aus Drittstaaten benötigt der deutsche Arbeitsmarkt künftig?“ geht statt von einem konstant zu haltenden von einem „minimal notwendigen“ Erwerbspotential aus. Sie nimmt eine jährliche Netto-Zuwanderung von mindestens 260.000 Hochqualifizierten an, davon 146.000 aus Nicht-EU-Ländern. Aber auch das ist eine Milchmädchenrechnung. Qualifizierte Zuwanderung in dieser Größenordnung erscheint illusorisch; und jeder Zustrom von Zuwanderern, deren Qualifikation geringer ist als der Durchschnitt der vorhandenen Bevölkerung, ist volkswirtschaftlich ein Verlustgeschäft.

Junge Migranten werden das Straßenbild dominieren

Das Gesicht unseres Landes wird sich drastisch verändern. Ländliche Regionen bluten aus, in den strukturschwächeren Landesteilen im Westen und vor allem in Mitteldeutschland. Dort wird die Bevölkerung bis 2050 von 16,5 Millionen auf unter neun Millionen fallen, die sich zunehmend in den größeren Städten konzentrieren werden. Hohe Leerstände, verfallende Infrastruktur und dramatisch sinkende Lebens- und Versorgungsqualität werden die Folge sein.

Die großen Ballungsräume in Westdeutschland und in Berlin dürften dagegen sogar noch wachsen. Ihre Bevölkerungsstruktur wird sich ebenfalls dramatisch wandeln. Junge Migranten werden vielerorts das Straßenbild dominieren, während sich die älter werdenden Herkunftsdeutschen zunehmend in Randbezirke, Klein- und Mittelstädte zurückziehen.

Bereits 2014 lag der Anteil der Migranten an der Alterskohorte der unter Zehnjährigen bei einem Drittel. In der Mitte des kommenden Jahrzehnts stellt diese Generation die jungen Erwachsenen. Absehbar ist, daß im Jahr 2050 die Altersgruppe von 20 bis 35 Jahren zu 40 bis 45 Prozent aus Migranten bestehen wird, die der unter Zwanzigjährigen sogar zu 55 bis 70 Prozent.

Die hohe Fortpflanzungsrate der Zuwanderer wird das Auseinanderklaffen noch verstärken. Während der Geburtendurchschnitt der Migranten insgesamt schon mit 1,9 Kindern pro Frau signifikant höher ist als beim herkunftsdeutschen Durchschnitt, liegen außereuropäische Zuwanderer teilweise noch deutlich darüber.

Die Folge: Parallelgesellschaften wachsen, mancherorts werden sie zu Hauptgesellschaften. Das Beispiel Duisburg steht stellvertretend für kommende Entwicklungen in vielen Großstädten: In der Stadt am Zusammenfluß von Rhein und Ruhr sprachen 2017 nur noch acht Prozent der Schulanfänger fehlerfreies Deutsch, über 16 Prozent dagegen überhaupt kein Deutsch. Mehr als die Hälfte der Duisburger Erstkläßler stammte aus Haushalten, in denen eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird.

Diese Entwicklung wird sich negativ auf den Bildungsstand der kommenden Erwachsenengenerationen auswirken. Das Nachlassen der Wirtschaftskraft des Landes durch Überalterung und Abwanderung junger Fachkräfte wird deshalb durch Zuwanderung nicht abgemildert, sondern eher noch verstärkt. 

Christen bald nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung

Mittelständische Unternehmen, Rückgrat der deutschen Wirtschaft, werden unter künftigen Schulabgängern kaum noch geeigneten Nachwuchs finden, der Bevölkerungsrückgang auf dem Land wird ihre Standorte ausdünnen. Viele werden aufgeben, die Unternehmen werden sich auf die größeren Städte konzentrieren.

2015 prognostizierte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, Deutschland werde bis 2050 von Platz fünf auf Platz zehn der größten Volkswirtschaften der Welt zurückfallen. Der Absturz könnte, nicht zuletzt durch die Folgelasten der Migrationskrise, noch weitaus dramatischer ausfallen. Sinkende Steuer- und Abgabeneinnahmen bei steigendem Bedarf für Sozialausgaben werden Staatshaushalte und Sozialsysteme an den Rand der Implosion bringen. Verteilungskonflikte sowohl innerhalb der Generationen als auch zwischen jungen, gering- und nichtqualifizierten Migranten auf der einen, älteren Herkunftsdeutschen auf der anderen Seite, sind zu erwarten.

Die Sicherheitskräfte werden zunehmend Schwierigkeiten haben, die Ordnung vor allem in den ethnisch fragmentierten Großstädten aufrechtzuerhalten. Ihren wachsenden Personalbedarf werden sie zunehmend unter jungen Migranten rekrutieren und laufen dadurch Gefahr, selbst von widerstreitenden Loyalitäten gespalten und paralysiert zu werden.

„Der in Deutschland drohende Kulturabbruch durch die Einwanderung bildungsferner Populationen ist aber im Gegensatz zu einem wirtschaftlichen Rückschlag ein für Generationen irreversibler Vorgang“, schrieb Herwig Birg schon vor einem Jahrzehnt in der FAZ. Künftig nachwachsenden Generationen werden die geistigen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Traditionen, die heute noch dieses Land tragen, kaum noch zu vermitteln sein.

Augenfälligster Gradmesser des gesellschaftlichen Kulturabbruchs wird die zunehmende Islamisierung Deutschlands sein. Nach einer Modellrechnung des Pew Research Center (Washington) von 2017 könnte sich der Anteil der Muslime an der deutschen Bevölkerung bei anhaltend hoher Zuwanderung bis 2050 auf rund zwanzig Prozent mehr als verdreifachen, während er im benachbarten Osteuropa konstant niedrig bliebe. 

Heute gehören noch 54 Prozent der Deutschen einer der christlichen Amtskirchen an; Anfang der fünfziger Jahre waren es noch weit über 90 Prozent. Geht der Mitgliederschwund im bisherigen Tempo weiter, stellen Katholiken und Protestanten zusammengenommen schon in drei bis fünf Jahren nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit. Nach 2050 könnten sie von den Muslimen auch als relativ größte Religionsgemeinschaft abgelöst werden.

Das Zeitfenster, in dem der drohende Kulturabbruch vielleicht noch aufgehalten werden könnte, schließt sich unerbittlich. Sicher, das sind alles nur Hochrechungen und noch keine Tatsachen. Doch bei der Mehrheit der politischen Kräfte ist nicht einmal ein Problembewußtsein hierfür erkennbar. Das Land, in dem die heute Zwanzig- und Dreißigjährigen ihren Lebensabend verbringen, wenn sie nicht vorher ausgewandert sind, wird eine komplett ausgewechselte Republik sein.

(Grafiken siehe PDF)