© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Grüße aus Athen
Völlig entrückt
Dimitris Papageorgiou

Aufruhr und Auflösungserscheinungen. Das Prespa-Abkommen zwischen Athen und Skopje war nicht nur Auslöser für Massenproteste, sondern auch für einen gewaltigen Prozeß im nationalen Parlament, bei dem zwei Parteien aufgelöst wurden, weil ihre Parlamentarier sie verlassen hatten. Sowohl die linksliberale To Potami als auch als auch die konservativen Unabhängigen Griechen (Anel) zeigen Auflösungserscheinungen. Ebenso die liberale Union der Zentristen, die sich eingestehen muß, daß einer ihrer Parlamentarier „völlig entrückt“ ist.

Der sozialistischen Regierungspartei Syriza fehlten Stimmen, um das umstrittene Abkommen von Prespa durchzubringen. Nach dem Motto „quid pro quo“ („dies für das“) wurden sechs Parlamentarier der Opposition geworben. Seitdem schallt es immer wieder aus den  Oppositionsreihen, Griechenland sei das Abkommen von Nato und Europäischer Union auferlegt worden – Institutionen, zu denen Syriza eigentlich kritisch eingestellt ist.

In die Ecke gedrängt, versucht Tsipras mit Wohlfahrtsmaßnahmen zu punkten.

Der Kuhhandel hat zudem zu einer Welle von Vorher-Nachher-Videos geführt, die die sozialen Medien gerne aufnahmen – denn sie offenbarten die Veränderung der Haltung dieser Parlamentarier. Ein unterhaltsamer Prozeß, da die meisten von ihnen genau das Gegenteil von dem verteidigten, für das sie gestimmt haben.

In die Ecke gedrängt, versucht nun der radikal-linke Premier Alexis Tsipras seine politischen Verluste durch eine Reihe von Wohlfahrtsmaßnahmen auszugleichen, beispielsweise die Renten nicht zu kürzen. Mit der Zustimmung der Europäischen Union zu diesen Zückerli scheinen die griechischen Wähler jedoch nicht so beeindruckt zu sein. Jeder öffentliche Auftritt von Syriza-Politikern wird von Unmutsäußerungen begleitet. Einige der Häuser von Überläufern in Nordgriechenland wurden gar für einige Nächte von protestierenden Menschenmassen belagert.

Der Chef der griechischen Konservativen Kyriakos Mitsotakis wittert längst Morgenluft und kritisiert heftig Äußerungen des Premiers zum Prespa-Abkommen. Tsipras „beleidige“ die Griechen, die die Vereinbarung ablehnen als „Nicht-Denkende“. Mitsotakis weiter: „Tsipras ist nicht nur ein Minderheitspremierminister, er ist auch ein unwürdiger Premier, der das Volk spaltet. Die Griechen sollten vereint, stolz und würdevoll bleiben, und sehr bald werden sie ihm die Antwort geben, die er verdient hat.“