© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Angriff auf das freie Internet
Die EU-Urheberrechtsreform befindet sich auf dem Weg durch die Institutionen
Ronald Berthold

Kommt nach den Gesetzen gegen sogenannte Haßsprache und angebliche Fake News nun der finale Schlag gegen die Meinungsfreiheit im Internet? Mit der Zustimmung Deutschlands haben sich Vertreter europäischer Staaten und des EU-Parlaments auf die geplante Urheberrechtsreform (JF 29 und 39/18) geeinigt. Und die hat es in sich. Demnächst sollen soziale Medien wie Facebook oder Youtube horrende Strafen bezahlen, wenn einer ihrer Nutzer die Copyrights verletzt. Folge: Die Unternehmen werden sich mit Upload-Filtern davor schützen – linke bis rechte Kritiker bezeichnen diese als „Zensurmaschinen“.

Bislang ist es umgekehrt: Der Nutzer haftet für die Rechtsverletzungen, es sei denn die Internetunternehmen erhalten einen Hinweis darauf. Der Artikel 13 der Reform legt nun fest, daß diese ab dem Moment verantwortlich sind, in dem ein Nutzer etwas hochlädt. Ihnen bliebe nichts anderes übrig, als Inhalte vorab zu filtern. Das Problem: Solche Algorithmen kennen weder Satire noch das Zitatrecht. Selbst rechtlich völlig saubere Beiträge könnten damit nicht mehr veröffentlicht werden. Auch für Memes, Fotomontagen mit oft bissigen Sprüchen, käme unweigerlich das Aus.

Youtube setzt schon jetzt einen Filter ein, um illegal verbreitete Musikvideos zu stoppen. Obwohl diese Software noch relativ einfach zu programmieren ist, kommt es immer wieder zu Vorablöschungen rechtlich einwandfreier Uploads. Ein nun nötiger Universalfilter, der angeblich alles Verbotene erkennt, würde eine viel zu große Streuung haben, meinen Experten. Daß die Plattformen aus Sorge vor Strafen vorauseilend löschen, selbst wenn kein Verstoß vorliegt, hat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz der Großen Koalition gezeigt.

Fragen wirft auf, daß selbst Konzerne, in deren Interesse der Artikel 13 angeblich verabschiedet werden soll, dagegen sind. Bertelsmann, einer der weltweit größten Rechteinhaber, lehnt diese Regelung „komplett“ ab. Auch zahlreiche andere Firmen mit Film-, Fernseh- und Sportrechten, unter anderem die Deutsche Fußball-Liga, fordern ein Umdenken.

Die Reform soll noch vor den Wahlen kommen

Auf der anderen Seite, bei den Nutzern, herrscht noch massiverer Widerstand. Mehrere Youtube-Stars und Blogger rufen seit Monaten im Zuge der Kampagne „Rettet das Internet“ zum Protest auf. Eine Online-Petition gegen „Zensurmaschinen“, die am Montag Justizministerin Katarina Barley (SPD) überreicht wurde, haben 4,8 Millionen Menschen (1,3 Millionen in Deutschland) unterschrieben. In der Erklärung heißt es, daß „der öffentliche Druck“ auf die EU-Abgeordneten so erhöht werden solle, daß diese gegen die Upload-Filter stimmen: „Ansonsten werden bald viele Inhalte vorab gefiltert, Meinungsfreiheit eingeschränkt und schlicht die Art, wie wir zur Zeit miteinander kommunizieren, unmöglich gemacht.“ Die Initiatoren kündigten europaweite Demonstrationen an. Bereits vergangenes Wochenende protestierten in Köln etwa 1.500 Menschen gegen die Pläne, die die Süddeutsche Zeitung eine Gefahr einer „grundrechtswidrigen Vorzensur“ nennt.

In der Tat muß das EU-Parlament noch zustimmen. Schon einmal, im vergangenen Sommer, hatte es die Reform parteiübergreifend abgelehnt, obwohl der Rechtsausschuß sie auf Initiative des CDU-Abgeordneten Axel Voss verabschiedet hatte. Dabei heißt es im Koalitionsvertrag mit der SPD ausdrücklich: „Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern (...) lehnen wir als unverhältnismäßig ab.“ Jetzt richtet sich die Wut vor allem gegen eine Partei: „Nie wieder CDU“ ist zu einem weitverbreiteten Hashtag in den sozialen Medien geworden.

Viele stellen sich die Frage, warum die Vorab-Filterung der Inhalte brachial durchgesetzt werden soll, obwohl selbst zahlreiche Rechteinhaber dagegen sind. Geht es in Wahrheit um die Einschränkung der Meinungsfreiheit? Sollen alternative Medien und Stimmen im Netz mundtot gemacht werden? Sollen der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Mainstream-Medien das Monopol auf Deutungshoheit zurückerhalten?

Der Europäische Gerichtshof urteilte bereits vor sieben Jahren, daß eine Vorabfilterung in die Privatsphäre eingreife und gegen das Recht auf Meinungsfreiheit verstoße. Bis die Richter ein Urteil über die neue Regelung fällen, wird es Jahre dauern. In dieser Zeit würden Tatsachen geschaffen, die ohne weiteres nicht mehr rückgängig zu machen wären. Die Zensur des Internets durch die EU und die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten wäre einen großen Schritt vorangekommen.