© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/19 / 22. Februar 2019

Knapp daneben
Ruf des Gewissens
Karl Heinzen

In der praktischen Fahrprüfung sind im Jahr 2017 432.037 Führerschein­aspiranten gescheitert. Die Durchfallquote belief sich damit auf 32 Prozent, und sie steigt unaufhörlich weiter. Bei der theoretischen Prüfung hat sie bereits annähernd 40 Prozent erreicht.

Wer die Schuld, wie man das halt gerne so macht, bei den anderen sucht, wird mit ein bißchen Spekulation auch schnell fündig. Verdienen nicht diese ganzen parasitären Prüforganisationen vom Schlage eines TÜV oder einer Dekra an jedem, der durchrasselt und sich dann zum nächsten Versuch anmelden muß? Vielleicht sind aber einfach auch nur die Fahrlehrer zu schlecht. Manchen wird nachgesagt, die Jugendlichen mit Dumpingpreisen zu ködern, um sie dann entsprechend miserabel auf die Prüfung vorzubereiten. Allerdings könnte das auch bloß Stimmungsmache der teureren Konkurrenz sein, bei der die Fahrschüler nicht nur durchfallen, sondern auch noch abgezockt werden.

Das Schuldgefühl, ein Auto zu bewegen, hört erst auf, wenn die Fahrprüfung nicht bestanden wurde.

Einen nicht unwesentlichen Teil der Schuld trägt sowieso der Staat. Die Verkehrsregeln sind sehr kompliziert. Ab und zu ändern sie sich auch noch. So manches, was man als Kind auf dem Rücksitz bei seinen Eltern abgeguckt hat, ist dann plötzlich nicht mehr gültig. Überall stehen zudem Schilder herum, auf die man achten muß, und es werden immer mehr. Kaum ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben, kommt auch schon die nächste. Wie soll man bei dem ganzen Hin und Her und den immer zahlreicheren Schlaglöchern, denen es auszuweichen gilt, auch noch ein Auge für andere Verkehrsteilnehmer behalten? Muß man sich daher nicht eher über jeden wundern, der dem Streß standhält und die Führerscheinprüfung auf Anhieb besteht?

Des Rätsels Lösung ist die Antwort auf die Frage, was in einem Fahrschüler vorgeht, wenn er sich ans Steuer setzt. Tief in seinem Innern spürt er, daß er eine Fertigkeit einstudiert, die nicht mehr in unsere Zeit paßt. Wer mit dem Auto herumfährt, gefährdet nicht nur sich und andere. Er ist ein Sünder wider Klima und Menschheit. Das schlechte Gewissen begehrt auf und gibt erst Ruhe, wenn das Scheitern in der Fahrprüfung besiegelt ist.