© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

AfD
Der Geist ist aus der Flasche
Dieter Stein

Am Dienstag entschied das Verwaltungsgericht Köln aufgrund der Klage der AfD, daß der Verfassungsschutz nicht mehr öffentlich erklären darf, die Partei sei ein „Prüffall“ des Inlandsgeheimdienstes. Es ist ein Teilsieg im Rahmen einer womöglich jahrelangen juristischen Auseinandersetzung der Partei mit den Innenministerien. Und es zeigt, daß die Waffen des Rechts nicht stumpf sind.

Dennoch ist der Geist des Verdachts aus der Flasche und wird sich einstweilen nicht mehr so schnell einfangen lassen – womit die politisch Verantwortlichen ihr Ziel erreicht haben. Die stigmatisierenden Folgen sind da. Der Mitgliederzuwachs der AfD stockt, die Umfragewerte sinken, qualifizierte Mitarbeiter für Fraktionen und Geschäftsstellen sind immer schwerer zu finden, seit der Schatten der Schlapphüte auf die Partei gefallen ist.

In Heidenheim konnte am vergangenen Wochenende beim Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg gut beobachtet werden, unter welchen Spannungen die Partei steht. Nur mit einer außergewöhnlichen Brandrede glaubte Parteichef Jörg Meuthen die anwesenden Mitglieder wachrütteln zu können. Frontal griff er „komplett rücksichtslose Radikale“ in der AfD an, namentlich eine Gruppe um einen „Stuttgarter Aufruf“, die sich Anfang Februar in Burladingen getroffen hatte. Darunter eine Reihe vom Parteiausschluß bedrohter Rechtsausleger. Es sind Teile des „Flügels“, dessen Schutzpatron der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke ist. Beim Landesparteitag in Heidenheim demonstrierte der „Flügel“ wiederum, daß er zwar nicht die Mehrheit stellt, aber wie einschüchternd und wohlorganisiert er aufzutreten weiß.

Es ist ein Phänomen, wie sehr Höcke die AfD bei ihrer Entwicklung und ihrem Erscheinungsbild seit Beginn schleichend prägt. Seine Stärke, so zeigt sich, ist in erster Linie die Schwäche der anderen. Kürzlich warnte Höcke in einem Aufsatz treuherzig vor einer „Spaltung der Partei“ und forderte „Zusammenhalt“. Es ähnelt dem berühmten Ruf „Haltet den Dieb!“, wenn derjenige, der die stärksten Fliehkräfte in der Partei verursacht, Kopf der Einigung sein will.

Die AfD gerät derzeit immer stärker in eine Zangenbewegung: auf der einen Seite eine feindselige Öffentlichkeit, die flankiert vom Verfassungsschutz mit unfairen Methoden die Partei aus dem diskutablen Feld herausdrängen und mundtot machen möchte, auf der anderen Seite radikalisierte Ränder, die gravierende Folgen einer Ächtung mutwillig in Kauf zu nehmen bereit sind – weil die Betreffenden nichts zu verlieren haben. Beide Seiten spielen sich in einer wechselseitig verstärkenden Rückkopplung in die Hände. Den Kräften der Vernunft bleibt nicht mehr viel Zeit. Daß Meuthen in Heidenheim mit der Faust auf den Tisch schlug, haben viele als befreiend und überfällig wahrgenommen.