© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Europaparteitag der Linkspartei
Radikale Reformen
Paul Leonhard

Von Leidenschaft für Europa kann keine Rede sein. Als eine Aufführung „ohne Feuer, ohne Esprit“ beschreiben die meisten Beobachter das, was die Linkspartei am Wochenende auf ihrem Europaparteitag in Bonn bot. Nein, die Mehrheit der knapp 500 Delegierten zeigte sich gar nicht angetan von dieser Europäischen Union. Die einen wollten sie als „System Brüssel“ bekämpfen, die anderen sie zu einer „Republik europäischer Regionen“ umbauen, wieder andere sie mangels Alternativen unterstützen. Als „plattes EU-Bashing“ bezeichneten Spitzenpolitiker wie Wulf Gallert aus Sachsen-Anhalt den Leitantrag, mit dem die SED-Nachfolger nach Bonn gezogen waren. 

Eine Gemengelage, die an einen anderen Europawahl-Parteitag erinnert – den der AfD. Auch hier hätten Hardliner beinahe durchgesetzt, daß als europapolitisches Ziel der sofortige Austritt Deutschlands aus der EU im Programm festgeschrieben wird. Auch hier gelang es Realpolitikern, einen Kompromiß durchzusetzen. Links und rechts von der CDU heißt dieser: konsequente Reform des Staatenverbundes.

Die europäische Linke ist sich längst mit der Rechten darin einig, daß in Europa eine Elite aus Kapital und Politik an den Interessen der Mehrheit der Menschen vorbei die Regeln bestimmt und nur starke Nationalstaaten diese Entwicklung aufhalten können. Eine Erkenntnis, die in der deutschen Linken aber noch nicht mehrheitsfähig ist.