© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Vorwärts immer, rückwärts nimmer
Verfassungsreferendum auf Kuba: Nur die katholische Kirche bietet Paroli / Weitverbreitete Vorurteile gegenüber Eigentum
Paul Leonhard

Geichgeschlechtliche Paare dürfen im Macho-Land Kuba auch künftig keine Ehe schließen. Die kommunistische Partei- und Staatsführung ist mit ihrem diesbezüglich liberalen Vorschlag am Protest Hunderttausender und am Widerstand der Kirchen gescheitert. 

Ob der KP weiterhin eine führende Rolle zugebilligt wird, interessierte weit weniger. Immerhin: 262 Vorschläge dagegen gingen bei der Verfassungskommission ein. Erfolg hatten sie keinen. Artikel 5 der neuen Verfassung beschreibt die KP Kubas weiterhin als Vorhut der Nation und als „höchste führende politische Kraft der Gesellschaft“, die allerdings nicht über dem Gesetz stehe.  

Keine Chance hatten auch Vorschläge, Begriffe wie „sozialistisches System“ oder „sozialistische Wirtschaft“ zu eleminieren. Sogar der Begriff  „Kommunismus“, der im Verfassungsentwurf ursprünglich nicht mehr vorkam, mußte auf Druck der Straße wieder aufgenommen werden. „Nur im Sozialismus und Kommunismus kann der Mensch seine volle Würde erlangen“, heißt es jetzt in der Präambel. 

Monatelang hat die Staats- und Parteiführung um eine neue Verfassung gerungen. Die Bevölkerung war nachdrücklich aufgerufen, sich zwischen dem 13. August und dem 15. November an einer landesweiten Aussprache zu beteiligen. Offiziellen Angaben zufolge taten das fast neun Millionen Kubaner und damit eine Million mehr, als überhaupt wahlberechtigt waren. Rund 60 Prozent des Ursprungstextes wurden in einer dreimonatigen Volksaussprache verändert.

Die Ängste und Wünsche der Kubaner in der Nach-Castro-Ära wurden dabei deutlich wie selten: Künftig heißt es in Artikel 1 der Verfassung, daß Kuba nicht nur ein „sozialistischer Rechtsstaat“ ist, sondern auch ein Staat der „sozialen Gerechtigkeit“. 

Strände bleiben Volkseigentum 

Daß staatliche Unternehmen weiterhin der Hauptakteur der Wirtschaft sein werden, kommt dem tiefen Mißtrauen der Kubaner gegenüber dem privaten Unternehmertum entgegen. Dieses beruht einerseits auf Unkenntnis, andererseits gerade auf den gemachten Erfahrungen mit den neuen Selbständigen, deren Geschäftsmodell zumeist auf dem Aufkauf staatlich gestützter, aber knapper Waren und ihrem Weiterverkauf mit Preisaufschlag beruht. Es sei notwendig, verbreitete Vorurteile gegenüber nichtstaatlichen Eigentumsformen und ausländischen Investoren aufzugeben, mahnt Staatssekretär Homero Acosta Álvarez.

Ausdrücklich anerkannt wird in Artikel 21 das Eigentum von religiösen, brüderlichen und anderen Vereinigungen. Schon Artikel 30 verpflichtet den Staat aber zu einer gerechteren Umverteilung des Vermögens in bezug auf die Konzentration von Eigentum. Gleichzeitig hat der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ Verfassungsrang erhalten. Bodenschätze und die Strände wurden als unveräußerliches Volkseigentum festgeschrieben, der Kampf gegen den Klimawandel als Staatsziel.

Von größerer praktischer Bedeutung könnten Veränderungen im Staatsaufbau sein, die die neue Verfassung ebenfalls vorsieht. Danach soll es künftig nicht mehr einen Präsidenten, sondern einen Staatsratsvorsitzenden und einen Ministerpräsidenten geben sowie deren Amtszeit auf maximal zehn Jahre begrenzt werden. 

Kritik kam von der katholischen Kirche Kubas, die die „fehlende Pluralität“ beklagte. Konkret kritisierten die Bischöfe, daß nach der Präambel der neuen Verfassung nur im Sozialismus und im Kommunismus der Mensch seine komplette Würde entfalten könne. Damit würden andere Vorstellungen über die Menschen, die Gesellschaft und die Welt ausgeschlossen.

Dennoch: Am vergangenen Sonntag sprachen sich 86,8 Prozent der Wähler per Referendum für die Verfassungsnovelle aus. Mit „Nein“ stimmten neun Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 84 Prozent.