© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Absurdes Theater
Englisches Pokalfinale: Chelsea-Torwart widersetzt sich seiner Auswechslung / Kontrahent Manchester gewinnt den Titel
Richard Stoltz

Im Fußball-Endspiel um den englischen Liga-Pokal zwischen Chelsea und Manchester City, das auch nach Verlängerung torlos geblieben war, sollte bei Chelsea der Torwart, Kepa Arrizabalaga (24), in letzter Minute ausgetauscht werden. Er hatte während des Spiels seinen Kasten tapfer sauber gehalten und dabei geradezu akrobatische Künste vorgezeigt. Aber sein Trainer glaubte auch zu wissen, daß Arrizabalaga Oberschenkelbeschwerden hatte, und wollte ihn für das Elfmeterschießen austauschen.

Doch Arrizabalaga weigerte sich, das Tor zu verlassen. Hundertzwanzig Minuten lang hatte er erfolgreich für seine Mannschaft gekämpft, und nun, im Moment des möglichen Triumphs, sollte er „ersetzt“ werden? Nie und nimmer! Es kam zu einem wilden Gesten- und Wortwechsel mit seinem Trainer Maurizio Sarri am Spielfeldrand, und dieser gab schließlich nach. Arrizabalaga durfte im Tor bleiben – und verlor. Das Spiel endete 4:3 für Manchester. Und Arrizabalaga stand statt als Held plötzlich als der Schuldige da.

Niemand hat jetzt auch nur wenigstens Mitleid mit ihm, und besonders sein „freches Aufbegehren“ gegen den Trainer wird ihm übel angekreidet. Er hat sich denn auch schon in aller Form öffentlich entschuldigt, doch wahrscheinlich wird ihm das nichts nützen. Seine Karriere als Torhüter in einem europäischen Spitzenklub scheint beendet.

Wie konstatierte einst der französische Existentialist Albert Camus sinngemäß? Zwischen Glück und Unglück, größtem Triumph und größter Demütigung liege immer der Zufall, und über den könne niemand gebieten. Das sei keine Tragödie, das sei die pure Absurdität. Konkret auf den Fall des Torhüters von Chelsea bezogen: Keine vermutete Oberschenkelzerrung hat ihm das Bein gestellt und die Karriere verdorben, sondern der Zufall, die pure Absurdität. Das Schlimme daran ist, daß keine Tröstung darin liegt, allenfalls Ratlosigkeit.