© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Zeitschriftenkritik: Bursfelder Universitätsreden
Fragwürdige Willensbildung
Werner Olles

Seit sieben Jahrzehnten findet in Bursfelde das Himmelfahrtstreffen der Georg-August-Universität Göttingen statt. Seit zwei Jahrzehnten werden die dort gehaltenen Festvorträge als Bursfelder Universitätsreden dokumentiert. Die im Jahre 1093 gegründete Klosterkirche zählt zu den eindrücklichsten Bauwerken der Weser-Romanik. Die ehemalige Benediktiner-Abtei Bursfelde hatte ihre größte Bedeutung im 15. Jahrhundert durch die zur „Bursfelder Kongregation“ führende monastische Reformbewegung. 1828 wurde der traditionsreiche Titel des Abtes von Bursfelde an eine ordentliche Professur der Theologischen Fakultät der Georgia-Augusta gebunden. Im Amt des Abtes von Bursfelde, in den Himmelfahrtstreffen und den einmal jährlich erscheinenden Bursfelder Universitätsreden lebt die Jahrhunderte währende Verbindung der Universität Göttingen mit dem Kloster Bursfelde fort. 

In der Reihe Bursfelder Universitätsreden erschienen bisher 35 Hefte, darunter Titel wie „Gehirn und Geist“ (Otto Creutzfeldt), „Wirtschaft und Moral“ (Helmut Hesse), „Militia Christi“ (Eduard Lohse), „Chancen und Risiken der Biotechnologie“ (Gerhard Gottschalk), „Die russische Seele“ (Reinhard Lauer), „Das Christentum im Urteil des Islam“ (Tilman Nagel), „Schönheit und Wahrheit“ (Franziska Meier).

In der aktuellen Ausgabe (Nr. 35) beschreibt der Politologe, Volkswirt und Jurist Andreas Busch die „Politische Willensbildung im digitalen Zeitalter“. Das Thema ist in der Tat zeitgemäß, da die Willensbildung in der pluralen Gesellschaft eine Voraussetzung der Demokratie darstellt. So ist die Pluralität politischer Meinungen beziehungsweise Willenspositionen in unseren modernen Gesellschaften ebenso empirische Tatsachenbeschreibung wie sie normativer Anspruch ist – als Ausdruck der Freiheit, unterschiedlicher Meinung zu sein: „Ein gut funktionierender Prozeß politischer Willensbildung ist demnach Voraussetzung für das Gelingen von Demokratie“ (Andreas Busch).

Der Autor untersucht den Einfluß von Kommunikationstechnologien im digitalen Zeitalter auf die Mechanismen politischer Willensbildung. Was daraus für die Funktionsfähigkeit liberaler Demokratie folgt, sieht Busch leider einseitig kritisch. Er unterstellt den sogenannten „Populisten“ mit der Behauptung eines einheitlichen Volkswillens politische Gewinne zu machen versuchen. Es folgen die üblichen Angriffe auf US-Präsident Trump und die französische Oppositionspolitikerin Marine Le Pen, denen Busch vorwirft, die Reputation ihrer politischen Gegner durch Manipulationen zu beschädigen.

Für Deutschland schlägt er die Idee einer „Stiftung Faktencheck“ vor, eine Aufgabe, die jedoch eher der „Zivilgesellschaft“ als dem Staat zufallen sollte. „Eine gute Entwicklung“ sieht er in zusammengeschlossenen Redaktionsnetzwerken und deren „schnellen Eingreif-Kapazitäten“. Daß dies eine sehr subjektive Sichtweise der politischen Willensbildung ist, steht für kritische Leser jedoch außer Frage.

Kontakt:  Georg-August-Universität Göttingen, Wilhelmsplatz 1, 37073 Göttingen. 

 www.kloster-bursfelde.de