© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

„Journalistenschule für jeden“
Weiterbildung zwischen Haltung und Handwerk: Die Reporterfabrik hat ihren Betrieb aufgenommen
Ronald Berthold

Immer mehr Menschen schreiben, aber immer weniger werden gelesen. Das liegt nicht nur an der Fülle der Texte, sondern auch an deren Qualität. Mit einer „Reporterfabrik – Webakademie des Journalismus“ sollen die Deutschen nun lernen, Beiträge für Zeitungen, Blogs und fürs Fernsehen zu produzieren. Die „Journalistenschule für jede(n)“ fährt dabei fast alles auf, was in den Medien Rang und Namen hat. Die Prominenten sollen die Bürger das journalistische Handwerk lehren. Eine lobenswerte Idee, die allerdings auch mit dem Vermitteln einer inzwischen zum Journalismus gehörenden „Haltung“ verbunden wird.

Zahlreiche bekannte Gesichter gewonnen

Die Online-Teilnahme an den 1.200 Tutorials und 120 Podcasts ist unschlagbar günstig: So ist der deutsche Sprachpapst Wolf Schneider („Deutsch für Profis“) für fünf Euro zu sehen. Viele Beiträge sind kostenlos, die teuersten liegen bei 25 Euro. Und was Schneider zum Gebrauch der Schriftsprache zu sagen hat, bleibt unbezahlbar. Er sei, so der Star unter den Trainern in seinem frisch vorgetragenen Beitrag, „zwar nicht mehr der Jüngste, aber auf dem laufenden“. Die frühere Welt- und Stern-Führungskraft ist 93 Jahre alt, besticht durch Erfahrung und Kenntnis. Es ist ein Coup, daß die „Reporterfabrik“ ihn zur Teilnahme bewegen konnte.

Weniger relevant sind Olli Dittrich und der Hofnarr des Establishments, Jan Böhmermann, die für die Akademie ein Lied geschrieben haben, dessen Witz sich nicht erschließt. Aber die beiden passen perfekt zum „Namedropping“, mit dem die „Reporterfabrik“ für Aufsehen sorgt. Genau da liegt auch ein Problem: Wenn ZDF-Chef-Influencer Claus Kleber ab 15. März mit seinem Webinar „Wie objektiv sind Journalisten?“ startet, dann läßt das nichts Gutes ahnen.

Auch der geplante Workshop-Start des Tilo Jung („Jung und naiv“) mag ob der Karriere des zweifachen Studien­abbrechers einen gewissen Humor haben. Denn der Titel lautet „Journalist werden ohne Ausbildung“. Allerdings verstärkt dies das Problem, das der Beruf mit ungelernten Seiteneinsteigern hat. Jung hatte erst kürzlich auf Twitter verdeutlicht, wie er den Job begreift: „Als Journalisten haben wir gelernt, Leugner des menschengemachten Klimawandels medial zu ignorieren, sie lächerlich zu machen und ihnen keine (gleichberechtigte) Plattform zu bieten. Das müssen wir nun auch bei den Feinstaubbelastungsleugnern schaffen.“

Jung ist Protagonist des modernen Journalismus, der sich nicht dem Berichten, sondern dem Missionieren verschreibt. Im Zusammenhang mit dem zuletzt von Vordenkern der Branche immer wieder geforderten „Haltungsjournalismus“ ist die Mitwirkung Jungs an der Akademie, die das Reporter-Forum und Correctiv tragen sowie Telekom, Bosch-Stiftung und Facebook finanzieren, konsequent.

In einem Streitgespräch mit dem Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel, das als „Workshop“ angekündigt wird, darf Zeit-Vize Bernd Ulrich den Medien-Mainstream umdeuten. Der stehe in Wirklichkeit „so weit rechts“, daß der Islam aus Deutschland herausdefiniert werde. Deswegen, so die Sicht des 58jährigen, würden „sich meine muslimischen Freunde stündlich desintegrieren“.

Auch Sascha Lobo, der inhaltsgleich kürzlich behauptete, der Rechtspopulismus sei auf dem Vormarsch, weil die Medien ihn stützten, darf etwas über das „Neuland“ Internet zum besten geben. Folgerichtig ist in diesem Zusammenhang, daß mit Juso-Chef Kevin Kühnert ein von den Medien gehypter, im Seminar aber absolut blasser Linksaußen als Trainer dabei ist. Das Modul „Politische Reportage“ leitet er gemeinsam mit Spiegel-Reporter Markus Feldenkirchen, der dagegen durchaus interessant aus dem Nähkästchen plaudert. Ehrlicherweise stellt die „Reporterfabrik“ in der Ankündigung die rhetorische Frage: „Wie wirkt Journalismus auf jemanden, der ständig von Journalisten als Hoffnung hofiert wird?“

Kühnert gibt ebenso ehrliche Antworten. Die meisten Erfahrungen, die er mit Journalisten gemacht habe, seien „sehr positiv“. Er freue sich, wie gut er bei den Portraits in den Mainstreammedien wegkomme: Sich den Journalisten zu stellen sei „eine Win-win-Situation“. Daß die Servilität der Reporter mit seinen politischen Ideen zu tun haben könnte, darauf kommt der Juso-Vorsitzende nicht, er sieht dies vielmehr als Beleg für deren „Fairneß“.

Wegen solcher Ärgerlichkeiten aber das gesamte Projekt zu verreißen, hieße ebenso pauschal zu sein. Wer sich die richtigen Module, wie das profunde zu Überschriften und Vorspännen aussucht, dem ermöglicht die „Reporterfabrik“ Einblicke in einen Beruf, für den trotz aller Haltung immer noch handwerkliche Regeln gelten.