© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/19 / 01. März 2019

Frisch gepresst

Volk in Angst. Gesellschaftspolitisch zwar weniger umwälzend als ihre kalifornische Kollegin Judith Butler, die „Konstrukteurin“ des „sozialen Geschlechts“ und „Erfinderin“ des Gender-Schamanismus, figuriert die in Chicago lehrende Martha Nussbaum im bundesdeutschen Feuilleton gern als „eine der profiliertesten Philosophinnen der Gegenwart“. Wie in den USA, wo die Arm-Reich-Schere weit auseinandergeht, in ihrem Fach üblich, stehen von Sozialpolitik und Ökonomie absehende Fragen „moralischer Gerechtigkeit“ im Mittelpunkt ihres Denkens. Als zweites Spielfeld hat sie die „Philosophie der Emotionen“ für sich entdeckt. Nach ihrem „Plädoyer für eine Kultur der Gelassenheit“ (2017), die sie sich im Sinnstiftungsdienst für die neoliberale Upper Class auch privat bequem leisten kann, widmet sie ihren neuesten Krisen-Ratgeber dem „Königreich der Angst“. Dabei weicht die von John Rawls, dem Großmeister der „Gerechtigkeitstheorie“, promovierte Nussbaum wie gewohnt von der Politik in die Psychologie aus. Nicht das konkrete Handeln und Versagen von „Eliten“ hat „gespaltene Gesellschaften“ geschaffen, sondern eine ominöse „monarchische Herrschaft der Angst“. Sie gehöre als Urangst zur animalischen Grundausstattung des Menschen. Warum die Emotionen zähmende „demokratische Kultur“ bei den Unter- und Mittelschichten ausgerechnet heute wieder einmal mehr Angst erzeugt als abbaut, kann Nussbaum mit solcher freudianischen Kaffeesatzleserei natürlich nicht beantworten. (wm)

Martha Nussbaum: Königreich der Angst. Gedanken zur aktuellen politischen Krise. Verlag wbg Theiss, Darmstadt 2019, gebunden, 299 Seiten, 28 Euro





Wehrsport. In Rußland oder der Ukraine gibt es sie noch: die ab 1951/52 im Ostblock gegründeten vormilitärischen Ausbildungsorganisationen. In der DDR wurde die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) schon im Frühjahr 1990 aufgelöst. Während die Bundeswehr drei Monate für die Grundausbildung einplante, reichten der NVA vier Wochen, denn alle Lehrlinge und Abiturienten mußten sich in der GST „auf den Ehrendienst in den bewaffneten Kräften“ vorbereiten – Schießen und Handgranatenwerfen inklusive. Immerhin: Wer als Militärkraftfahrer ausgewählt wurde (ein Viertel des Jahrganges) durfte kostenlos seinen Führerschein machen. (fis)

Peter Joachim Lapp: Gesellschaft für Sport und Technik. Schule der Soldaten von morgen. Helios Verlag, Aachen 2018, gebunden, 166 Seiten, Abbildungen, 22 Euro