© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Nicht zuständig
Kramp-Karrenbauer: Ein Finanzskandal im Saarland könnte der CDU-Vorsitzenden gefährlich werden
Werner Becker

Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer tourt derzeit ohne die Bürde eines politischen Mandats durch die Lande und bringt sich als Nachfolgerin von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Stellung. Derweil erreicht in der saarländischen Heimat von „AKK“ eine Affäre den Höhepunkt, die auch die ehemalige Ministerpräsidentin noch einholen könnte (JF 43/18). 

Im Finanzskandal um den Landessportverband für das Saarland (LSVS) stand Ex-Landtagspräsident und -Innenminister Klaus Meiser (CDU) seit vergangener Woche vor Gericht. Dem früheren LSVS-Präsidenten und zwei ehemaligen Präsidiumsmitgliedern – darunter der amtierende Präsident des Fußball-Verbandes – wurde Untreue und Vorteilsgewährung vorgeworfen. Es ging um neun Anklagen – davon sieben gegen Meiser. Nach einem Rechtsgespräch einigten sich alle Prozeßbeteiligten auf einen so genannten Deal. Meiser kam erstmal mit knapp zwei Jahren Haft und Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 120.000 Euro davon. Der mitangeklagte Fußball-Präsident und ehemalige LSVS-Vize Franz Josef Schumann muß eine Geldstrafe bezahlen. Ihnen wurde unter anderem vorgeworfen, eine Feier anläßlich des 70. Geburtstags von Innen- und Sportminister Klaus Boullion (CDU) organisiert und auf Kosten des LSVS abgerechnet zu haben. 

Ohne Gegenleistung     mit Gehalt versorgt

Dabei handelt es sich um ein Zusammenspiel von Sport und Politik, das Kramp-Karrenbauer gerne als „saarländischen Sonderweg“ bezeichnet hat. Der Landessportverband bezieht einen Großteil seiner Einnahmen aus einem Achtel der staatlichen Lotterie-Einnahmen. Die Rechtsaufsicht über die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder hat das Sportressort, das meistens dem Innenministerium angeschlossen ist, in der Vergangenheit aber auch zum Sozial- oder Kultusministerium gehörte. Zuständige Ressortleiterin mit Unterbrechungen von 2000 bis 2011: Annegret Kramp-Karrenbauer. 2011 trat sie die Nachfolge von Peter Müller an, der als Richter ans Bundesverfassungsgericht wechselte. Ambitionen auf den Chefsessel in der Saarbrücker Staatskanzlei hatten aber auch andere. Allen voran „Klaus und Klaus“ wie Innenminister Bouillon und der spätere Landtagspräsident Meiser gerne bezeichnet werden.  

Wie und warum Kramp-Karrenbauer das Rennen gemacht hat, darüber ranken sich an der Saar zahlreiche Gerüchte. Fakt ist, daß sie es schaffte, ihre Kontrahenten einzubinden. Der populäre Lokalpolitiker Bouillon wurde Minister, Meiser blieb eine Zeitlang Fraktionschef, später erhielt er den hoch lukrativen Job als Landtagspräsident. Zusätzlich wurde der 64jährige frühere Fußball- und Tischtennisfunktionär 2014 an die Spitze des Landessportverbands gewählt. In dessen Führungszirkel gaben sich „verdiente“ CDU- und SPD-Granden, häufig im Hauptberuf Toto-Direktoren oder Sparkassen-Präsidenten, die Klinke in die Hand. Doch Ende 2018 platzte die Bombe. Die Dachorganisation des saarländischen Sports, üppig mit Toto–Geldern ausgestattet, hatte sich in den vergangenen Jahren scheinbar unbemerkt an den Rand der Zahlungsunfähigkeit manövriert. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft war eine Insolvenz des LSVS jedoch ausgeschlossen. Auch, weil die Landesregierung zuletzt 2015 einen Millionenkredit bei der Landesbank Saar mit einer Patronatserklärung abgesichert hatte. 

Der tief gefallene Multifunktionär Meiser will erst im Herbst 2017 von Schwierigkeiten erfahren haben, machte den langjährigen Hauptgeschäftsführer verantwortlich, der mittlerweile als Kronzeuge der Anklage auftritt. Sein Vorgänger, der frühere Toto-Direktor Gerd Meyer, immerhin 2002 bis 2014 an der Spitze des Sportverbands, gibt sich ebenfalls ahnungslos. Meyer, zeitweise auch CDU-Landtagsabgeordneter, gehört zum Vertrauten-Zirkel Kramp-Karrenbauers. AKK mußte ein Jahr nach Bekanntwerden der Affäre vor dem Untersuchungsausschuß des Landtags aussagen. Sie erklärte, als Ministerin mit den „großen Weichenstellungen“ befaßt gewesen zu sein – nicht aber mit den Kontrollaufgaben der Rechtsaufsicht. „Das ist Sache der Fachabteilung“, erklärte sie. Die Dinge seien beim Staatssekretär geendet. 

Relativ abrupt endete auch ihre Amtszeit als Ministerpräsidentin. Im Frühjahr 2017 stellte sie sich zur Wiederwahl, nur um zehn Monate später als Generalsekretärin nach Berlin zu wechseln. Damals erreichte die LSVS-Krise gerade ihren Höhepunkt, Konkurrent und Mitstreiter Meiser verlor in kurzer Zeit alle Posten. Er wurde unter anderem dafür verurteilt, seine Landtagssekretärin mit einem Zweitgehalt beim LSVS ohne entsprechende Gegenleistung versorgt zu haben. Kenner der Saar-Szene sagen, Meiser habe die Dame in seiner Funktion als Landtagspräsident auffallend ge- und befördert. Kramp-Karrenbauer habe dies gewußt und lange Zeit toleriert. Pikantes Detail: Bei der Sekretärin handelt es sich um Meisers Lebensgefährtin. 

AKKs plötzlicher Wechsel nach Berlin sei eine Art Flucht vor der Wucht der Enthüllungen gewesen, heißt es. Doch die Staatsanwaltschaft läßt nicht locker. Gegen Meiser und Vorgänger Meyer sind weitere Verfahren in Vorbereitung. Dabei geht es um Haushaltsuntreue gegenüber dem LSVS. Die Staatsanwaltschaft hat externe Gutachter beauftragt, die das Finanzgebaren der vergangenen 20 Jahre durchleuchten sollen. Rund eine halbe Million Euro hat dies bislang gekostet. Die entscheidende Frage: Haben die zuständigen Minister wirklich nicht gewußt, daß sich ein Defizit von fast 25 Millionen Euro auftürmte? Sicher ist: Sie alle werden als Zeugen vor Gericht aussagen müssen. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer.