© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Klarstellung verlangt
AfD I: Die Partei hat einen Punktsieg gegen den Verfassungsschutz erzielt / Doch der interne Konflikt um die Abgrenzung nach Rechtsaußen geht weiter
Jörg Kürschner / Christian Vollradt

Ungeachtet der Schlappe des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), das die AfD nicht länger öffentlich als „Prüffall“ bezeichnen darf, droht die Behörde ihren Mitarbeitern bei Parteikontakten mit Konsequenzen. Wer AfD-Mitglied sei oder Kontakte zur Partei pflege, solle dies melden, verlangt die Geheimschutzbeauftragte des Amtes. Bei Interessenkonflikten, „etwa durch eine Überschneidung dienstlicher und privater Belange“, könne „ein Wechsel in einen anderen Arbeitsbereich des BfV sinnvoll sein“, also auch eine Versetzung in Frage kommen, heißt es in dem Schreiben. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sprach von der „nächsten Stufe im Kampf des Inlandsgeheimdienstes gegen die Opposition“. 

Damit wird umgesetzt, was der oberste Dienstherr des Verfassungsschutzes, Bundesinnenminister Horst Seehofer, angekündigt hatte. Er habe seine Mitarbeiter gebeten, „noch einmal sehr genau für mich zu prüfen“, wie sich eine Parteimitgliedschaft und politische Äußerungen mit den Pflichten eines Beamten vertragen, hatte der CSU-Politiker erklärt (JF 10/19). Damit soll der politische Druck auf die AfD aufrechterhalten werden, nachdem das Bundesamt die Gesamtpartei Mitte Januar als einen „Prüffall“ für eine mögliche Beobachtung eingestuft hatte. 

Nachdem jedoch bereits der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages erhebliche rechtliche Zweifel an der Bekanntgabe dieser Entscheidung geäußert hatte, verbot das Verwaltungsgericht Köln der Behörde bereits im Eilverfahren eine weitere öffentliche Benennung als „Prüffall“. Diese habe mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen eine „negative Wirkung“, befanden die Richter. „Potentielle Wähler könnten davon abgehalten werden, die Antragstellerin zu wählen oder ihre Mitteilungen und Äußerungen zu lesen“. Dieser Eingriff sei rechtswidrig und unverhältnismäßig. Im Falle einer Zuwiderhandlung droht dem Bundesamt ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 Euro. AfD-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland sprach von einem „vollen Erfolg“ des Eilantrags seiner Partei. Der Forderung seiner Co-Fraktionschefin Alice Weidel nach einer Entlassung Haldenwangs wollte er sich allerdings nicht anschließen. 

„Unsäglich“, nannte der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs den Beschluß der Richter, dem Grünen-Parlamentarier Sven-Christian Kindler ist die Gerichtsentscheidung „egal“, da die AfD seiner Meinung nach antidemokratisch bleibe. Nach Ansicht des FDP-Parlamentsgeschäftsführers Marco Buschmann ist die inhaltliche Prüfung der AfD-Positionen weiterhin geboten, da sich die Partei nicht von Rechtsextremen abgrenze. Ob das Bundesamt bis Mitte kommender Woche fristgemäß beim Oberverwaltungsgericht Münster Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts einlegen wird, ist offen. Haldenwangs Vorgehen war bei Länderinnenministern der CDU und SPD als „Alleingang“ kritisiert worden.  

„Ganz überwiegend          positive Rückmeldungen“

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Verfassungsschutz in der AfD, Roland Hartwig, betonte im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT, daß sich die Entscheidung ausschließlich auf die öffentliche Ausrufung des Prüffalls bezieht, die untersagt wurde. „Es ist gut, daß das Gericht hier eine Grenze gezogen und dem Verfassungsschutz klargemacht hat: dies war außerhalb des Rechts. Offensichtlich wurde der Nachrichtendienst hier auf politischen Druck hin instrumentalisiert. Richtigerweise hätte Herr Haldenwang der Öffentlichkeit mitteilen müssen, daß es auch nach Prüfung keine Gründe gibt, die AfD insgesamt zu beobachten.“

Nicht betroffen von diesem juristischen Erfolg der AfD ist die Einstufung des „Flügels“ und der Parteinachwuchsorganisation Junge Alternative als Verdachtsfälle. Die Arbeitsgruppe werde daher auch weiter arbeiten wie bisher. Als nächstes wird in Kürze ein weiteres Gutachten des Staatsrechtlers Dietrich Murswiek zum Verfassungsschutz-Papier vorliegen. Mit den Bewertungen des Freiburger Juristen soll dieses Papier in drei Kategorien unterteilt werden: erstens sachlich falsche Behauptungen, die widerlegt werden können; zweitens vermeintlich verfassungsfeindliche Anhaltspunkte, die zu Unrecht herangezogen wurden, und drittens Anhaltspunkte, denen weiter nachgegegangen werden muß, weil sie zumindest mißverstanden werden können. „In solchen Fällen verlangen wir dann von den betreffenden Personen eine Klarstellung“, so Hartwig. Bleiben sie diese schuldig, müsse der Bundesvorstand die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Diesbezüglich sei man auch mit führenden Vertretern des „Flügels“ im Gespräch, um auf möglichst breiter Front die notwendige Abgrenzung nach Rechtsaußen sicherzustellen. Trotz vereinzelter Stimmen, die sich über eine angebliche „Hexenjagd“ beschweren, erhalte seine Arbeitsgruppe für ihre Tätigkeit „ganz überwiegend positive“ Rückmeldungen aus der Partei, betont Hartwig. Der Tenor sei meistens: „Wir lassen uns die AfD nicht von einigen wenigen Irrlichtern beschädigen.“

Auch Parteichef Jörg Meuthen freute sich über den „Punktsieg“ der AfD. Dies sei „ein Beispiel dafür, daß der Rechtsstaat doch noch funktioniert“, sagte er vergangenes Wochenende dem Deutschlandfunk. Der Verfassungsschutz könne die AfD ruhig weiter prüfen; dann werde er am Ende zu dem „Urteil kommen, daß da nichts zu beobachten ist“, so Meuthen zuversichtlich. Der Bundesvorsitzende verteidigte in diesem Zusammenhang auch noch einmal seine deutlichen Worte beim Landesparteitag der Baden-Württemberger (JF 10/19). „Wenn wir einzelne Mitglieder haben, die der Partei permanent schaden, weil sie sich als Egomanen, als Nicht-Teamplayer verhalten, weil sie auch Äußerungen tätigen, die definitiv nicht innerhalb des Konsenses unserer Partei sind, dann muß man da auch mal klare Kante sprechen.“ Meuthen betonte jedoch ausdrücklich, damit wende er sich nicht „komplett gegen den sogenannten Flügel unserer Partei, also die nationalkonservative Strömung“.

Tatsächlich ist die innerparteiliche Diskussion um die Ausrichtung der AfD jüngst wieder entbrannt. Helmut Seifen, einer der beiden Vorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, kritisierte in einem Interview der FAZ erneut den „Flügel“ als „Partei in der Partei“ und warnte vor „Schwarmgeistern“. Daß der Landesverband erheblich in Unruhe ist wegen der Spannungen zwischen Seifen und seinem Co-Vorsitzenden Thomas Röckemann, einem „Flügel“-Mann, ist kein Geheimnis. 

Nicht zuletzt aufgrund einer kritischen Rezension des Interview-Buches von Björn Höcke in der jungen freiheit (JF 10/19) kritisierte ein Facebook-Statement des „Flügels“, man treibe einen „Spaltkeil“ in die Partei und springe den „Feindzeugen zur Seite“. Am Ende heißt es dann recht unverholen in Richtung innerparteilicher Kontrahenten: Es müsse „über eine Brandmauer nach links nachgedacht werden; wer der AfD beigetreten ist, um seinen kleinbürgerlichen Putzfimmel auszuleben, dem muß klar gesagt werden, daß dies die falsche Partei dafür ist. Wer dem Flügel oder seinen Protagonisten die Existenzberechtigung als Korrektiv gegenüber den Koalitionsfetischisten mit einer sozialdemokratisierten CDU abspricht, ist im Visier.“