© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Der Internationale Währungsfonds, die Deutschen und das Gold
Ein starkes Stück
Bruno Bandulet

Das „Working Paper 19/32“ des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll altes Narrativ erneuern: Die Erzählung von der „destabilisierenden“ Rolle, die Deutschland in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts gespielt haben soll und die „schädliche“ Rolle des Goldes aufzeigen – und dies verbunden mit der Mahnung, alte Fehler nicht zu wiederholen. Dazu stellt der IWF-Ökonom Johannes Wiegand die Behauptung auf, die Entscheidung, nach 1871 den Goldstandard einzuführen, sei mitverantwortlich für eine „Große Depression“ gewesen. Das Kaiserreich habe seine Währungspolitik nicht mit Frankreich koordiniert und darin lägen „klare Parallelen“ zur heutigen Euro-Debatte. Schlußfolgerung: Starke gemeinsame Institutionen wie ein Eurozonen-Budget seien notwendig, um die Währungsunionwiderstandsfähig zu machen.

Doch der Goldstandard kann schon wegen der zeitlichen Abfolge nicht für den Wirtschaftsabschwung ab 1873 verantwortlich gewesen sein. Der vom IWF favorisierte Bimetallismus, das heißt die Koexistenz von Silber- und Goldmünzen, wurde de jure erst mit dem Münzgesetz vom 9. Juli 1873 beendet, als im Kaiserreich die Reichsgoldwährung an die Stelle der Landeswährungen in Silber trat. Die silbernen Ein-Taler-Stücke blieben bis 1907 gesetzliches Zahlungsmittel. Erst 1909 wurde die Goldwährung vollständig eingeführt. Zu Recht nannte Michael Stürmer die Zeit von 1850 bis 1873 die „Spurtphase“ der industriellen Revolution. Daß dieser von Investitionen getriebene erste Aufschwung 1873 zu Ende ging, hatte mit der Goldwährung nichts zu tun.

Trotz Rezession lag das reale deutsche Nettosozialprodukt 1879 um gut 40 Prozent über dem von 1869. Es schrumpfte nicht, weil mit dem nominalen Wachstum auch die Preise zurückgingen – eine Horrorvorstellung für Mario Draghi, der glaubt, Preisstabilität erfordere zwei Prozent Inflation. Insgesamt schneidet der Goldstandard, der kriegsbedingt 1914 endete, im Vergleich zum Eurosystem hervorragend ab. Er begleitete den Aufstieg zur Industriemacht, allen ging es im Trend immer besser, Dauerinflation und Null-Zins waren kein Thema.

Das deutsche Votum für Gold kein Affront gegen Frankreich, sondern der logische Anschluß an die längst etablierte Währungsordnung der damaligen Weltmacht: Seit 1717 setzte das Vereinigte Königreich auf Gold. Die goldene Guinea wurde zum Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel der Wahl, wie nach1871 die Reichsgoldmünzen zu 10 und 20 Mark mit ihrem Feingoldgehalt von 3,584 bzw. 7,168 Gramm. Eine deutsche Rückkehr zum Gold muß der IWF nicht befürchten. Ein starkes Stück aber ist der Vorwurf, die Deutschen hätten die internationale Ordnung damals destabilisiert, und sie könnten es wieder tun.

„Destabilizing the Global Monetary System: Germany‘s Adoption of the Gold Standard in the Early 1870s“ (Working Paper 19/32):  www.imf.org/