© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

„Den Druck erhöhen“
Inhaftierter Reporter Billy Six: Sein Anwalt lobt die Arbeit der Deutschen Botschaft in Caracas, fordert aber mehr Unterstützung
Martina Meckelein

Während in Venezuela seit Wochen ein Machtkampf zwischen dem sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro und dem selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó tobt, Hilfsgüter nicht durchkommen, während in der UN in New York der venezolanische Außenminister weiter um Reputation für das sozialistische Regime, dem er selbst angehört, kämpft, sitzt in Venezuelas Hauptstadt Caracas in einem riesigen Gefängnis des staatlichen Geheimdienstes Sebin der deutsche Journalist Billy Six in Einzelhaft – und das seit 111 Tagen. Tausende von Kilometern entfernt kämpfen seine Eltern Edward und Ute Six in Berlin um seine Freilassung.

Nun sollen Zivilrichter über Billy Six richten  

Montag, 4. März, 9 Uhr. Ute und Edward Six stehen mit selbstgeklebten Plakaten vor dem Auswärtigen Amt (AA)in Berlin. Sie wollen mit Außenminister Heiko Maas (SPD) sprechen. „Doch der sei nicht zu sprechen“, berichtet Vater Edward Six gegenüber der  JUNGEN FREIHEIT, „sein Stellvertreter auch nicht.“

Die Eltern Six wollen an diesem Montag eigentlich etwas vollkommen Menschliches erreichen, nämlich daß irgend jemand aus dem Auswärtigen Amt ihnen einmal persönlich zuhört. Darüber hinaus verlangen sie für eine jetzt ausgedruckte E-Mail, die sie allerdings schon am 12. Januar ins AA gesendet hatten, eine Eingangsbestätigung. In der E-Mail hatten die Eltern das Amt aufgefordert, einen offiziellen Protest zu formulieren und die Freilassung Billys zu fordern. „Das hat die deutsche Regierung bis heute nicht getan“, so Edward Six. „Wir wissen zwar durch mehrere Telefonate, daß die E-Mail innerhalb des AA weitergegeben worden ist, aber einen Beweis für unsere Akten haben wir nicht.“ Nach Stunden wird es den Eltern glücken, den Beweis für den Eingang ihrer Forderung in den Händen zu halten – einen Stempel mit Datum und der Signatur des Poststellenmitarbeiters, der die ausdruckte E-Mail entgegengenommen hat.

In Venezuela besucht derweil Billy Six’ Anwalt Amado Vivas seinen Mandanten in dem Geheimdienstgefängnis El Helicoide in Caracas. Der Anwalt arbeitet für die Menschenrechtsorganisation „Espacio Público“. In der vergangenen Woche ist es ihm und einem Kollegen gelungen, das Verfahren gegen Billy vor dem Militärgericht abzuwenden. Billy war in der Nacht von Montag auf Dienstag von Caracas ins 530 Kilometer entfernte Punto Fijo gebracht worden und dort vor ein Militärtribunal gestellt worden. Doch dieses erklärte sich plötzlich für nicht zuständig. Damit ist der Alptraum aber nicht beendet. Jetzt also ein zweites Verfahren! Und zwar vor einem Zivilgericht in Caracas.

Amado Vivas sprach nach seinem Besuch in der Haftanstalt am Montag abend mit der jungen freiheit. Er war dort, um sich die Autorisierung für die Vertretung von Billy vor einem Zivilgericht unterschreiben zu lassen. „Diese Zivilkammer ist speziell für politische Verfahren zuständig“, sagt er. „Ich werde am Mittwoch im Gericht Akteneinsicht nehmen können. Bisher weiß ich nur, daß ihm Vaterlandsverrat, Kontakt zu einer kriminellen Vereinigung und Übertretung der Sicherheitszonen vorgeworfen wird.“

Der Anwalt geht davon aus, daß nichts weiteres gegen Billy vorliegt und der erste Punkt der Anklage schlicht  zu vernachlässigen ist. „Billys Chance, freizukommen, hängt von der Höhe des Drucks auf die venezolanische Regierung ab, den seine Verteidigung und jeder, der daran interessiert ist, ihn frei zu sehen, aufbauen kann. Wir bewegen uns nun auf eine Entscheidung nach den Sonderverfahren der Uno zu, insbesondere der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen. Denn Billys Inhaftierung ist nicht nach internationalen Standards erfolgt, da er keinerlei Verbrechen begangen hat.“

Es sind solche Worte, die sich Edward Six von der Bundesregierung, dem AA, Diplomaten vor Ort und Politikern wünscht. Die Realität scheint allerdings, nach den Worten von Edward Six, eine andere. „Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Caracas haben ihn bisher zweimal besucht“, sagt Edward Six. „Einmal brachten sie ihm Obst mit, jetzt soll ich die Rechnung dafür zahlen. Und sie sagten mir auch, daß wir natürlich seinen Rückflug zu zahlen hätten.“ 

Die JUNGE FREIHEIT fragte bei der Deutschen Botschaft in Caracas nach, ob es stimme, daß sie Billys Eltern die Obstration in Rechnung stellen würde. Außerdem wollten wir wissen, wie hoch die Obstrechnung ist und was für Früchte die Mitarbeiter der Botschaft in die Haftanstalt brachten? Des weiteren wollten wir wissen, ob die Deutsche Botschaft die Eltern schon jetzt auf die Kostenübernahme für den Rückflug ihres inhaftierten Sohnes aufmerksam gemacht hätte? Sibyllinisch heißt es dazu aus dem Auswärtigen Amt: „Herr Six wird von der Botschaft Caracas weiterhin konsularisch betreut. Am 8. Februar konnte die Botschaft Caracas einen zweiten Haftbesuch durchführen. Weitere Haftbesuche sind beantragt. Das Auswärtige Amt setzt sich für ein transparentes und rechtsstaatliches Verfahren ein. Hierzu steht die Botschaft  auch in Kontakt mit dem Wahlverteidiger. Die konsularische Betreuung obliegt den deutschen Auslandsvertretungen.“

Übrigens, anders als Billys Eltern, die die Unterstützung der Botschaft als gering empfinden, lobt Billys Anwalt die Diplomaten: „Sie tun alles, was in ihrer Macht steht.“

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