© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Zersplitterte Opposition
Venezuela: Maduros Widersacher glänzen nicht durch Einheit, daher hat der Machthaber bis dato leichtes Spiel
Wolfgang Bendel

Die venezolanische Opposition verfügt in der 2015 gewählten Nationalversammlung über eine deutliche Mehrheit. 2017 wurde mit Hilfe eines willfährigen Obersten Gerichtshofs und in verfassungswidriger Weise das Parlament entmachtet und durch eine verfassunggebende Versammlung ersetzt, in der die Anhänger Maduros unter sich sind. 

Wer ist der von der Nationalversammlung gewählte Gegenpräsident Juan Guaidó? Er ist Gründungsmitglied der Partei Voluntad Popular (VP – Volkswille) des im Gefängnis einsitzenden Oppositionsführers Leopoldo López. 

VP ist seit 2014 Mitglied der Sozialistischen Internationale, also keineswegs eine rechte, sondern eine linke Partei. VP gehört zum Oppositionsbündnis Mesa de la Unidad Democratica (MUD – Tisch der  Demokratischen Einheit), einem Sammelbecken zahlloser christdemokratischer, liberaler und sozialdemokratischer Parteien und Splittergruppen. 

Das ziemlich klägliche Scheitern des Versuchs am letzten Februarwochenende, Hilfstransporte für die notleidende Bevölkerung vom Ausland nach Venezuela zu schleusen, zeigt strukturelle Schwächen der Opposition auf. Eine stringente Strategie und Taktik ist ebensowenig erkennbar wie eine überzeugende inhaltliche Alternative zu Maduro. Auch die Tatsache, daß man sich zu sehr auf die Hilfe aus dem Ausland verläßt und zuwenig auf die eigenen Kräfte, dürfte einem schnellen Erfolg im Wege stehen.

Entsprechend gelingt es dem Maduro-Regime vergleichsweise leicht, die Oberhand im Machtkampf zu behalten. Neben der Unterstützung durch Rußland, Kuba und China sind es vor allem zwei Dinge, die es dem schnauzbärtigen Präsidenten ermöglichen, sich weiterhin am Ruder zu halten. 

Eine wichtige Rolle spielt das „Carnet de la patria“ (in etwa Vaterlandskarte). Dies ist ein Ausweis, der seinem Träger Vorteile bringt, was die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Kraftstoff betrifft. Gleichzeitig erleichtert er aber sowohl die soziale Kontrolle als auch die gesellschaftliche Isolierung des Karteninhabers. Wer nicht spurt, dem kann der Ausweis entzogen werden. Ein ideales politisches Druckmittel, das ausgiebig Anwendung findet.

Noch heftiger sind die Auswirkungen einer anderen Einrichtung. Die Rede ist von den „Fuerzas de Acciones Especiales“ (FAES – Kräfte für Spezialaktionen). Es handelt sich dabei um Sondereinheiten, die formell der Policía Nacional Bolivariana, also der regulären Polizei unterstehen. Sie gehen mit brachialer Gewalt gegen Oppositionelle vor, wobei ihnen auch außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen werden. Opfer sind häufig Menschen, die sich an Protesten gegen das Maduro-Regime beteiligten. Allein im Anschluß an die Demonstrationen  im Gefolge der Vereidigung Guaidós als Interimspräsident wurden in  Cotiza und Petare, zwei armen Vorstädten von Caracas mehr als 30 Menschen erschossen, die sich an den Protesten beteiligt hatten, wie Amnesty International berichtete.

Während  der Proteste im Zusammenhang mit den gescheiterten Hilfslieferungen sind laut Berichten der kolumbianischen und brasilianischen Behörden einige hundert Soldaten der venezolanischen Streitkräfte in die Nachbarländer desertiert. Bis auf einen Major ausschließlich Angehörige niederer Ränge. Das ist nicht viel bei einer Truppenstärke, die auf 95.000 bis 150.000 Mann geschätzt wird. Interessant ist, daß nach denselben Schätzungen etwa 1.500 bis 2.000 Generäle diese Soldaten befehligen. Auf 50 bis100 Mann kommt also ein General. Ein groteskes Mißverhältnis sicher, aber ein wichtiger Garant für die Loyalität des Offizierskorps Maduro gegenüber.