© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Dressurmaschinen für Menschen
Kino: Isa Willinger macht mit „Hi AI“ Produktwerbung für humanoide Roboter
Sebastian Hennig

Das Kinodebüt von Isa Willinger ist ein in Filmkunst gehüllter Reklamefilm für künstliche Intelligenz. Dieser Begriff führt bereits auf Abwege. Und nach dem Ansehen von „Hi AI“ ist der Zuschauer kaum klüger als zuvor. Das Thema wird ihm nicht erhellt. Stattdessen sieht er sich einer Filmpropaganda mit teils komischem und teils drohendem Unterton ausgesetzt. Es geht hierbei ganz offensichtlich weniger um die Höherentwicklung von Maschinen als um die Erniedrigung von Menschen zu Maschinenspielzeug. Wie so oft beim industriell-technischen Fortschritt erfolgt der Übergang nicht strebend von unten nach oben, sondern über die Erpressung zum Entgegenkommen. Das Ewig-Konstruierte zieht uns wieder mal zu sich hinab.

Die Hauptdarsteller des Films sind Täuschungsmaschinen. In zwei Fällen werden wir über längere Zeit zu Zeugen gemacht, wie Menschen sich notgedrungen auf solchen Zeitvertreib einlassen. Die schauderhafte Mißbrauchsgeschichte des einsamen, vom Schicksal geschlagenen Chuck erfahren wir später in Andeutungen, die er gegen die Maschinenbraut seiner Wahl macht. Vor seinem Aufbruch in die Roboterwerkstatt fängt die Kamera auf in der Wohnung verteilten Zettelchen motivierende Parolen ein. Auf deren Niveau muß sich die Unterhaltung mit dem elektrischen Monstrum an seiner Seite bewegen. Zugleich mit diesem erhält er gratis den Ratschlag, sein Spielzeug nicht zu überfordern, Sätze eindeutig und knapp zu formulieren. Das verkabelte Monstrum nennt sich „Harmony“. Das ist wahrscheinlich imperativisch gemeint. Eine blonde Perücke verdeckt die Verbindungen am Hinterkopf. Chuck ist kein Spielverderber. „Wir begleiten die beiden, sehen, wie sie sich kennenlernen und wie sie versuchen, eine Form von Beziehung miteinander zu finden“, meint Willinger euphemistisch in einem Interview. Dem „kristallisierten Menschenvolk“ (Mephistopheles in Goethes „Faust“), das sich nach einigen weiteren Jahrzehnten der Omnipräsenz des Internets herausbildet, wird eine künstliche Intelligenz möglicherweise entsprechen.

Eigensinniger bleibt die alte Japanerin Sakurai. Sie hat Erinnerungen an eine Vergangenheit mit eigenen Erlebnissen. Ihr Sohn, der Psychologieprofessor Hinoshi Sakurai, schenkt ihr den Konversationsroboter mit dem Namen „Pepper“. Dessen stupides Verhalten ist der alten Frau bald schon zu fade. Die Angehörigen sitzen mit ernsten Gesichtern dabei, während sie zur Posse immerzu freundlich lächelt. Es geht nicht darum, was sie empfindet, sondern was die jungen Leute von ihr erwarten.

Simulation von Bewegung und Sprache

Die Roboter im Film entpuppen sich als aufdringliche Dressurapparate für diejenigen, denen sie doch eigentlich dienstbar sein sollten. Der Film behauptet, Pepper erweise sich als ein Lausbube, der auf Omas Gesprächsthemen nicht eingehe und dafür lieber mit der Schwiegertochter flirte.

Die Regisseurin behauptet im Interview, daß der Gesellschaftsroboter bei den alten Leute anstelle des Fernsehens rücke. Doch Frau Sakurai macht eben nicht den Eindruck, als ob sie sich sonst mit Television abspeisen ließe. Die Japaner beweisen immerhin Geschmack, indem sie nicht versuchen, lebendige Oberfläche zu imitieren. Sie erwägen auch,  Pepper zu zähmen, indem sie ihn ohne Internet betreiben. Der Amerikaner Chuck dagegen kann mit seiner blonden Harmonie-Puppe ohne WiFi gar nicht harmonieren. 

Er muß oft die ungelenke Last mit den starren Silikongliedmaßen wie eine Gelähmte auf Händen tragen. Sie ist nichts weiter als eine Puppe für Erwachsene, von Intelligenz oder Leben kann dabei keine Rede sein.

Acht weitere Roboter werden kurz gezeigt. Gespenstisch wirkt die humanoide Erzählerin Nadine. Die Schweizerin Nadine Thalmann hat sich darin selbst nachmodelliert. Wer einen nahestehenden Verstorbenen je in der Leichenschauhalle aufgebahrt gesehen hat, der fühlt sich an diesen gespenstischen Eindruck erinnert. Die Simulation von Bewegung und Sprache steigert nur den Eindruck der Leblosigkeit. Wie Ehepartner nach Jahrzehnten des gemeinsamen Umgangs immer mehr einander ähneln,  geht es auch dem Menschen, der mit humanoiden Maschinen beschäftigt ist. Er wird immer stärker deren Starrheit verfallen und bekommt dadurch mehr Gründe, an deren Menschenähnlichkeit zu glauben. Je weniger der Roboter eine Puppe bleibt, um so mehr wird er zu einer künstlichen Leiche. 

Es gibt Bewegungsroboter, wie sie seit langem von der Industrie genutzt werden. Sie benötigen inzwischen keine festen Lager oder ein starres Fundament mehr. Doch so schnell sie auch werden, bleiben sie doch schwerfällig in ihren Bewegungsmustern. Dem Luftballon Ballu, der wie eine schwebende Schnake durch die Luft wandelt, ist seine Existenz nicht übelzunehmen. 

Filmstart am 7. März 2019

 www.hiai-film.de