© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Das islamische Matriarchat
Der Psychotherapeut Burkhard Hofmann zeichnet ein beklemmendes Bild arabischer Innenwelten
Siegfried Gerlich

Seit nunmehr zehn Jahren behandelt Burkhard Hofmann auch muslimische Patienten, und dies nicht nur in seiner Hamburger Praxis. Mehrmals im Jahr reist der psychotherapeutische Mediziner für einige Arbeitswochen nach Bahrain, um sich der seelischen Leiden seiner sunnitischen und schiitischen Privatpatienten aus der gehobenen Mittelschicht anzunehmen. Dabei sind es durchaus gemischte Gefühle, die Hofmann am Persischen Golf entgegengebracht werden: Als einziger Psychotherapeut unter den dort tätigen westlichen Fachärzten genießt er zwar alle Achtung, aber gleichzeitig wird er als „Scheitan“ (Satan) aus dem ebenso verlockenden wie verhaßten Westen beargwöhnt, den aufzusuchen als zutiefst unislamisch gilt.

In seinem 2018 bei Droemer erschienenen Buch „Und Gott schuf die Angst“ hat Hofmann seine einzigartigen Berufserfahrungen zu einem „Psychogramm der arabischen Seele“ verdichtet, in dem anschauliche Falldarstellungen und tiefenpsychologische Erörterungen sich auf eine so eingängige Weise wechselseitig erhellen, daß sich die Lektüre auch für psychologische Laien lohnen dürfte.

Es ist ein berühmter Ausspruch des Propheten, der das erste Kapitel wie ein Leitmotiv eröffnet: „Das Paradies liegt zu Füßen der Mutter.“ Denn mag Allah auch ein gnädiges Urteil über ein gottgefälliges Leben gesprochen und damit der Seele des Verstorbenen den Weg zum Himmel bereitet haben, so wartet an dessen Pforte immer noch dessen Mutter, gegen die selbst der Allmächtige machtlos ist: Sagt sie nein, darf die arme Seele getrost alle Hoffnung fahren lassen.

Hofmann zufolge zieht sich die in dieser Geschichte sinnfällig ausgedrückte Furcht und Verehrung der übermächtigen Mutter wie ein roter Faden durch die gesamte arabisch-islamische Kultur. Dabei wissen die meisten Muslime nicht einmal, daß ihre Pilgerstätte in Mekka in vorislamischer Zeit ein matriarchalischer Vulva-Tempel gewesen war, ist es ihnen doch verboten, sich mit der arabischen Vorgeschichte der islamischen Welt zu befassen. Unbewußt aber folgen sie einer magischen Anziehung, wenn sie die Kaaba umkreisen und sich vor diesem Schrein der heidnischen Göttin Al‘Lat zu Boden werfen. 

Diese unverstandene Ehrfurcht vor den Müttern geht bei muslimischen Männern überdies mit einer allzu verständlichen Verachtung ihrer Väter einher, die sich kaum als Erzieher bewähren und somit auch kein Vorbild sein können. Und freilich reicht die Erfüllung ihres einzigen pädagogischen Auftrags, die Söhne in den Islam einzuführen, mitnichten aus, um deren symbiotische Mutterbindung aufzulösen und individuierende Reifungsprozesse anzustoßen.

Aufgrund dieser fehlenden Vater-identifizierung bleiben auch erwachsene Muslime vielfach noch in dem ihnen von der Mutter zurückgespiegelten infantilen Selbstbild gefangen, und hieraus erklärt sich maßgeblich, daß sie den in den individualistischen Gesellschaften des Westens üblichen Realitätsanforderungen häufig nicht gewachsen sind und noch auf die harmlosesten Widrigkeiten des Lebens mit narzißtischer Wut reagieren. Diese bekundet sich für Hofmann nicht zuletzt in dem gereizten Unverständnis frommer Muslime gegenüber der christlichen Trinitätslehre, die er als theologischen Ausdruck einer gelungenen „ödipalen Triangulierung“ deutet, wie sie den „präödipal“ zurückgestauchten, innerlich „vaterlosen“ muslimischen Söhnen notorisch verweigert wird. 

Die unter muslimischen Männern weit verbreitete Gewaltneigung führt Hofmann wiederum auf ihre erheblichen sexuellen Frustrationen zurück, die rigiden religiösen Tabus geschuldet sind und das Klischee eines islamischen „Macho-Paradieses“ Lügen strafen. Die ihrer Triebhaftigkeit wie ihrer Lustangst vor dem Weiblichen ausgelieferten Muslime erweisen sich dem Therapeuten immer wieder als schwache, unreife Männer, die ihre innere Weiberknechtschaft durch präpotente Hypervirilität auch vor sich selbst zu überspielen versuchen. Jedenfalls können die von Hofmann gebotenen Fallbeispiele alle an der westlichen Dekadenz Verzweifelnden, die etwa mit Nietzsche glauben möchten, der Islam habe noch richtige „Männer“ zur Voraussetzung, darüber aufklären, daß sie einer orientalistischen Projektion aufgesessen sind.

Stellt nach Hofmann das religiöse Verbot der Abnabelung von der Mutter für die Söhne eine „grundsätzliche Ohmachtserfahrung“ dar, so steht dagegen den Töchtern mit der Mutterschaft der Weg zur „eigenen Machtübernahme“ offen. Daß jedoch auch diese nicht immer glücklich macht, beweisen ihm all jene „mit Adipositas kämpfenden vollverschleierten Mütter“, die ihren Kindern nicht einmal den „Spiegel“ ihres Antlitzes gönnen und, sofern die nötigen Mittel vorhanden sind, sich zum „Outsourcing der Mutterrolle“ an unverschleierte „Nannys“ entschließen. Ein Patient erinnert sich, wie verstört er war, als er bei seinem Londoner Studienaufenthalt erstmals erlebte, daß Mütter ihre Säuglinge und Kleinkinder überhaupt als ein menschliches Gegenüber behandelten und obendrein noch liebevoll umsorgten.

Den meisten muslimischen Kindern bleibt somit nur die imaginäre Einverleibung der „toten Mutter“, die ihnen fortan wie ein „unverdaulicher Fremdkörper“ alle Daseinsfreude und Lebendigkeit raubt. Und das zum Schutz vor kindlichen Einsamkeiten und Ängsten angelegte religiöse Korsett scheint diese sogar noch zu schüren, bis sich zuweilen in einer „seltsamen Melange aus Zwanghaftigkeit und Hysterie“ die Angst als „Erregungsmatrix des unterdrückten Lebens“ offen Bahn bricht, um gegen eine als „Eintrittskarte ins Paradies“ mißverstandene Depression aufzubegehren. Um so panischer betäuben sich zahllose muslimische Männer wie Frauen mit Psychopharmaka, zumal arabische Psychiater aus blanker Hilflosigkeit noch den exzessivsten Medikamentenmißbrauch zu unterstützen pflegen.

Hofmanns in Hamburg lebende arabische Patienten, zu denen auch Flüchtlinge und Muslimbrüder gehören, werden dagegen stärker von dem Konflikt zwischen ihrem religiösen Überlegenheitsgefühl und ihrer psychischen Hilfsbedürftigkeit gegenüber einem westlichen Therapeuten geplagt, der als ein „an seinem Unglauben zweifelnder Agnostiker“ gerade noch akzeptabel erscheint. Immerhin halten sie die Idee eines liberalen „Euro-Islam“ ausnahmslos für „abwegig“, wenn nicht „lächerlich“, und ehrlicherweise versucht Hofmann gar nicht erst, dem etwas integrationspolitisch Erbauliches entgegenzusetzen. Es liegt gleichwohl nicht in der Absicht dieses empathischen Psychotherapeuten, vor der Islamisierung Europas zu warnen, sondern Verständnis für die chronischen Nöte von Muslimen zu wecken, die schließlich die Hauptleidtragenden ihrer Religion sind. 

Dr. Burkhard Hofmann: Und Gott schuf die Angst. Ein Psychogramm der arabischen Seele. Droemer, München 2018, gebunden 288 Seiten, 19,99 Euro