© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/19 / 08. März 2019

Der neue Blitzkrieg im Internet
Die 5G-Technik soll ein ultraschnelles mobiles Breitbandnetz bringen / Flaschenhals bleibt die „letzte Meile“
Karsten Mark

Das Thema ist sperrig und kompliziert – und doch spricht alle Welt über das neue, möglicherweise viele Lebensbereiche revolutionierende „5G“-Netz, die fünfte Mobilfunk-Generation. Wer schon immer das neueste Smartphone in der Tasche hatte, kann es kaum erwarten, daß es die ersten 5G-fähigen Geräte zu kaufen gibt. Die ersten Modelle sind das Huawei Mate X, das LG V50 ThinQ, das Samsung Galaxy S10 5G und das Xiaomi Mi Mix 3. Bloß: Was werden die teuren Telefone ihren Nutzern bringen?

Zunächst einmal einen deutlich teureren Tarif, schließlich steigert der neue Standard die Übertragungsgeschwindigkeit um den stolzen Faktor 100. Und die Netzbetreiber müssen den teuren Netz­ausbau auch refinanzieren. Für den normalen Smartphone-Nutzer bleibt dennoch das meiste, wie es jetzt schon ist im 4G oder auch LTE(-A) genannten Netz. Denn selbst hochauflösende Filme lassen sich mit dem derzeitigen Standard in Echtzeit aus dem Internet übertragen („streamen“) – vorausgesetzt, der Empfang ist gut. Und das ist er häufig nicht.

Wer braucht eigentlich den neuen Standard?

Wird mit 5G das deutsche Mobilnetz nun dichter? Das erhoffen sich gut drei Viertel in einer Befragung des Branchenverbands Bitkom. Tatsächlich gibt es Grund zur Hoffnung auf weniger Funklöcher in der Zukunft. Das liegt allerdings nur indirekt an 5G. Wenn die Bundesnetzagentur demnächst die Frequenzen für den neuen Standard vergibt, wird sie den Betreibern zur Auflage machen, gleichzeitig auch das 4G-Netz an Autobahnen, Bundesstraßen und Bahnlinien auszubauen. Das ist keineswegs widersinnig. 5G knüpft direkt an die 4G-Technik an und ist ein reines Datennetz. Wer einen herkömmlichen Anruf mit dem Handy tätigt, wird das also weiterhin im 4G-Netz tun.

Wer braucht dann eigentlich den neuen Standard? Der Mensch am Smartphone ist es nicht. Er kann sich im besten Falle über ein blitzschnell reagierendes Internet freuen. Die hohe 5G-Geschwindigkeit hilft aber nur dann, wenn auch die angefragten Zentralrechner und Server-Computer, auf denen die angeklickten Inhalte liegen, genauso schnell liefern können.

5G ist nicht mehr für das bunte „World Wide Web“ des Menschen, sondern für das „Internet der Dinge“ vorgesehen. Roboter und Maschinen, etwa in Fabriken, können darin in kürzester Zeit große Mengen von Informationen austauschen. Deshalb gilt ein flächendeckendes 5G-Netz auch als Grundvoraussetzung für den Straßenverkehr mit autonomen, fahrerlosen Fahrzeugen. Die Zukunftsvision von einem Netz, das mit künstlicher Intelligenz sowohl Unfälle als auch Staus verhindert, erscheint allerdings noch weit entfernt – und das liegt bereits am Netzausbau.

Je größer die Übertragungsraten über Funk, desto höher werden die Frequenzen, aber desto geringer wird auch die Reichweite. Die 5G-Funkmasten dürfen nur einige hundert Meter von den Empfängern entfernt sein – vorausgesetzt es gibt keine großen Hindernisse dazwischen. In Berlin hat die Telekom bereits einige solcher Masten im Testbetrieb. Bei 4G sind es immerhin noch einige Kilometer Reichweite. 5G verlangt also viele neue und strahlende Funkmasten.

Während ein wirklich flächendeckender Netzaufbau einige Jahre dauern dürfte – die Telekom plant optimistisch mit 99 Prozent bis 2025 –, erscheinen 5G-„Anschlüsse“ für Firmen und Haushalte im ländlichen Raum, wo immer noch alte Telefonleitungen liegen, schon näherliegend. Dabei wird ein 5G-Empfänger fest im Haus installiert und optimal ausgerichtet, während dieser ebenfalls kabellos mit sämtlichen Computern und Telefonen im Haus verbunden wird. In den USA gibt es so etwas bereits.

Einfallstore für Spionage oder gar Sabotage?

Zwischen dem herkömmlichen Telefonat und den digitalen Datenpaketen besteht technisch kein prinzipieller Unterschied mehr. Sprache wird vom Telefon in das Format des Internet-Protokolls übersetzt: „Voice over IP“ (VoIP), also „Stimme über Internet-Protokoll“ nennt sich die Technik. Selbst die Telekom, die über einen Großteil des deutschen Telefonnetzes herrscht, hat mittlerweile fast vollständig von analogen und ISDN-Leitungen auf VoIP im Festnetz umgestellt. Die Zeiten der alten Telefonverteiler, die eine direkte Leitung zwischen zwei Teilnehmern schalteten, sind damit endgültig vorbei – was Angreifern neue Möglichkeiten zum Abhören, aber auch zum Einschleusen von Schad- und Spionageprogrammen sogar über eine schlichte Telefonverbindung eröffnet.

In diesem Zusammenhang steht die aktuelle Debatte um den chinesischen Netzwerk- und Mobilfunktechnik-Anbieter Huawei. Westliche Nachrichtendienste verdächtigen Huawei, auf Geheiß der chinesischen Staatsführung technische Hintertüren in ihre Netzkomponenten einzubauen. Ein öffentlicher Nachweis solcher Einfallstore für Spionage oder gar Sabotage wurde zumindest öffentlich bislang nicht erbracht. Dem US-Komitee für Auslandsinvestitionen (CFIUS) reichte allerdings bereits der Verdacht, um chinesische Technik bereits beim 4G-Ausbau zu verbannen und Huawei die Übernahme von 3Com zu untersagen (JF 43/13). In Deutschland ist die Zusammenarbeit mit dem Weltmarktführer Huawei hingegen immer noch eng. Die Bundesregierung gibt sich in der Frage weiterhin unentschieden (JF 6/19).

Völlig kabellos wird die schöne neue Internetwelt mit 5G nicht. Die Grundstruktur des weltweiten Netzes beruht auf Kabeln, die sogar über den Meeresgrund quer durch Ozeane verlegt werden, um die Kontinente zu verbinden. Weiterverteilt wird der Datenstrom an sogenannten Internet-Knoten wie etwa dem DE-CIX (Deutsche Commercial Internet Exchange) in Frankfurt, dem weltweit leistungsstärksten Knoten der Welt, oder dem zweitgrößten ECIX (European Commercial Internet Exchange), der Amsterdam, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg versorgt.

Überall, wo große Datenmengen übertragen werden, sind heute Glasfaserleitungen im Einsatz. Den entscheidenden Flaschenhals in der deutschen Netzversorgung bildet meist die „letzte Meile“, der Hausanschluß in Form alter Telefonleitungen im schlechtesten oder kupferner Fernsehkabel im etwas besseren Falle. Für richtig schnelles Internet über Kabel müssen die Glasfasern durchgängig bis ins Haus reichen.

Die technischen Grundlagen von 5G:  www.informationszentrum-mobilfunk.de





30 Jahre „World Wide Web“

Er wollte einfach nur Ordnung ins Chaos bringen am europäischen Kernforschungszentrum CERN, an dem Forschergruppen aus aller Welt Riesenmengen an Meßdaten und Theorien produzierten, aber niemand so recht wußte, wie man sich noch einen Überblick über den Wust an Informationen verschaffen sollte. Zumal die Wissenschaftler im Schweizer Teil des grenzübergreifenden Teilchenbeschleunigers ein anderes Computersystem benutzten als jene im französischen. Also setzte sich Tim Berners-Lee, britischer Physiker und Informatiker, in sein Büro und tippte ein Thesenpapier zusammen. Schlichter Titel: „Informationsmanagement: Ein Vorschlag“. Das Papier wurde zum theoretischen Grundstein des „World Wide Web“. Dieses bezeichnete sein Erfinder dort allerdings noch als „Mesh“, also Geflecht. Weil „Mesh“ ähnlich wie „Mess“ (Unordnung) klingt, wurde der Vorschlag verworfen. Weihnachten 1990 richtete Berners-Lee unter der Adresse „info.cern.ch“ den ersten Internet-Server der Welt ein. Es dauerte kein Jahr, bis die US-Kollegen am SLAG-Beschleuniger im kalifornischen Stanford nachzogen. (kmk)