© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Zensur oder Panikmache?
Internet: Zunehmende Kritik an der Urheberrechtsreform der EU / Protestbewegung von links bis rechts
Christian Vollradt

Wer hätte gedacht, daß etwas so Sperriges wie eine Urheberrechtsreform so viele Leute erzürnen und auf die Straße treiben kann? Zu Hunderten zogen sie bereits vor das Bundesjustizministerium, noch mehr versammelten sich vergangene Woche vor der Bundeszentrale der CDU. Und am 23. März soll europaweit demonstriert werden, in Brüssel, Luxemburg, Warschau sowie in München, Hamburg und natürlich auch wieder in Berlin. 

So wirklich neu ist der Konflikt gar nicht. Seit 2015 laboriert die Europäische Union daran herum, in den Mitgliedsstaaten das Urheberrecht zu reformieren und – so die offizielle Leitlinie – dem Internetzeitalter anzupassen (JF 39/18). Die Rechteinhaber, also vor allem Medienschaffende oder Künstler, sollen nicht leer ausgehen, wenn Internetplattformen wie Youtube oder Facebook ihre Werke verbreiten. Kein Wunder, daß die entsprechenden Branchenverbände, Presseverlage oder die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) diese Reform ausdrücklich befürworten und loben. Anders die sogenannte Internetgemeinde. 

Hier fürchtet man vor allem den umkämpften Artikel 13 der EU-Reform. Der soll dafür sorgen, daß Youtube und Co. urheberrechtlich geschützte Inhalte nur noch dann hochladen, wenn die Urheber dafür entlohnt wurden – etwa mittels Lizenzvereinbarungen. Im Umkehrschluß bedeutet das: Die Plattformen sollen für Verstöße gegen das Urheberrecht haften. Dem können sie aber nur nachkommen, so befürchten die Kritiker der Reform, indem sie automatisiert mittels sogenannter Upload-Filter die Inhalte durchstöbern und bereits beim Hochladen prüfen, ob Bilder, Videos oder Musik möglicherweise urheberrechtlich geschützt sind. Bereits beim Verdacht, dies könne sein, werde ein „Posten“ des fraglichen Inhalts verhindert; das komme dann einer Zensur gleich, lautet der Vorwurf der Reformgegner, die das auf die Straße treibt. 

Aus Angst vor drohenden horrenden Lizenzstrafen würden sich die Unternehmen im Zweifel gegen eine Veröffentlichung entscheiden, nach dem Motto: lieber zuwenig als zuviel veröffentlicht, selbst wenn dabei unproblematische Beiträge hinten runterfallen. „Overblocking“ nennen die Kritiker das. Unsinn, meinen die Verteidiger der Reform, die den Kritikern Panikmache vorwerfen. 

Denn es gebe schließlich Ausnahmen. Zitate, Parodien oder ähnliches seien nach wie vor unbedenklich, außerdem gälten die strengen Haftungsregeln nur für die Großen der Branche (also Facebook und Google), Start-ups bzw. Plattformen, die jünger als drei Jahre sind und weniger als zehn Millionen Euro Jahresumsatz machen, seien ausgenommen. Auch sehe der Artikel 13 eine Pflicht zur Nutzung von Upload-Filtern gar nicht vor, heißt es. Zumal sich Union und SPD im Koalitionsvertrag eindeutig positioniert hatten. Schwarz auf weiß steht dort: „Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu ‘filtern’, lehnen wir als unverhältnismäßig ab. Negative Auswirkungen auf kleinere und mittlere Verlage müssen vermieden werden.“ Dem Reformkompromiß auf europäischer Ebene stimmte Berlin dennoch zu.

„Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot gebrochen“

Daß das widersprüchlich sein könnte, muß selbst manches Kabinettsmitglied zugeben: „Mir sind keine anderen technischen Maßnahmen bekannt, mit denen man Lizenzverstöße verhindern könnte. Insofern läuft es auf Upload-Filter hinaus“, sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). Die Politikerin beteuert, sie habe bis zum Schluß versucht, Artikel 13 aus dem Reformvorhaben herauszulösen. Bei den Reformgegnern nimmt man ihr dies nicht so recht ab; um als SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl glaubwürdig zu bleiben, müsse Barley von ihrem Ministeramt zurücktreten, fordern Internetaktivisten. Und auch Digitalpolitiker in den Reihen der Union wie etwa die Staatssekretärin im Kanzleramt Dorothee Bär (CSU) grollen, konnten sich aber nicht durchsetzen. Vor allem Netzpolitiker der Opposition werfen Schwarz-Rot den Bruch des Koalitionsvertrags vor. Die Bundesregierung sei bei den Verhandlungen in Brüssel eingeknickt und gefährde damit das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, beklagte etwa der Vorsitzende des Bundestagsausschusses Digitale Agenda, Jimmy Schulz (FDP). Technisch sei es „unmöglich, legale und illegale Inhalte automatisiert zu unterscheiden. Filter können Satire, Zitate oder Parodien gar nicht erkennen“, kritisierte der Liberale. 

Klar gegen den umkämpften Artikel 13 hat sich auch die AfD positioniert (siehe nebenstehendes Interview). Parteichef Jörg Meuthen, derzeit einziger AfD-Abgeordneter im Europaparlament, kündigte bereits an, gegen die Urheberrechtsreform zu stimmen.