© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Vielfalt von rechts
Landtagswahl in Sachsen: AfD und CDU kämpfen um Stimmen / Pegida distanziert sich von Poggenburg-Auftritt
Björn Harms

Im September 2019 blickt Deutschland gespannt nach Sachsen. Die dortige Landtagswahl könnte das politische System der Bundesrepublik nachhaltig verändern. CDU und AfD – beide stehen in den Umfragen bei rund 25 Prozent – kämpfen erbittert um die Spitzenposition. Die AfD strebt nichts Geringeres als die Regierungsübernahme an, sogar eine Koalition mit der CDU steht im Raum.

Zunächst aber muß sich die Partei auf einen weiteren Konkurrenten einstellen: Die Freien Wähler stiegen am Samstag in Grimma offiziell in den sächsischen Wahlkampf ein. Dafür schaute sogar Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger vorbei. Schließlich soll nach dem Wahlerfolg in Bayern auch der Einzug in den sächsischen Landtag gelingen. Landeschef Steffen Große kündigte vollmundig einen „neuen Politikstil“ und ein „konstruktives Vorschlagsgewitter“ an. Sein Ziel: „Im Landtag wollen wir zweistellig werden.“ Das wollen viele. Aber ist der Anspruch realistisch? 

Einer Umfrage zufolge könnten sich immerhin sieben Prozent der Sachsen vorstellen, für die Freien Wähler zu votieren. Bereits jetzt stellen sie 24 Prozent der Mandatsträger in Stadt- und Gemeinderäten. So will auch die prominente Buchhändlerin Susanne Dagen (JF 42/18) bei der Dresdner Stadtratswahl Ende Mai für die Partei antreten. Bei der Landtagswahl 2014 jedoch hatte es nur für 1,6 Prozent der Stimmen gereicht. Das soll sich ändern – mit einer simpel anmutenden Strategie. 

CDU-Stadtverband wechselt zu den Freien Wählern

Die Partei präsentiert sich als Adresse für abtrünnige CDU-Wähler, denen die AfD zu anrüchig ist. Sie sehen sich als „Mutbürger“, die nicht protestieren, sondern anpacken wollen. Ein homogenes Bild gibt die Partei dabei nicht ab. Während im Westen Sachsens ein liberaler Flügel das Geschehen diktiert, ist der Osten deutlich konservativ ausgerichtet. Für Schlagzeilen hatte zuletzt der Brandiser CDU-Stadtverband gesorgt, der geschlossen zu den Freien Wählern wechselte, weil den Mitgliedern die CDU nicht mehr konservativ genug war. Aus ähnlichen Gründen gab es auch in Pirna Übertritte. In Leipzig wechselte der bisherige Chef des mitgliederstärksten SPD-Ortsverbands zu den Freien Wählern, weil ihm die SPD zu links geworden war. 

Gleichzeitig versucht auch die CDU die AfD weiter unter Druck zu setzen. Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl gewinnen die Christdemokraten in den Wahlumfragen an Stimmen. Das liegt nicht zuletzt an der Handschrift des Dresdner Politikwissenschaftlers Werner J. Patzelt, Co-Autor des Wahlprogramms der sächsischen CDU. In seiner Funktion will er dazu beitragen, daß die Union Wähler zurückgewinnt, die seine Partei an die AfD verloren hat. 

Zusätzlich versucht die CDU mit sogenannten Ideenwerkstätten, die Bürger an der Erarbeitung ihres Programms zu beteiligen. Bei der letzten Ideenwerkstatt am vergangenen Freitag in Markkleeberg, einem Vorort von Leipzig, schlug Ministerpräsident Michael Kretschmer markige Töne an, versprach sich für schnellere Abschiebungen von ausländischen Straftätern einzusetzen und forderte mehr „Stolz auf Sachsen“. Die Partei blinkt nach rechts. Eine direkte Konfrontation mit der AfD aber scheint die CDU zu vermeiden. Die Konkurrenz war in Markkleeberg praktisch kein Thema. Soll so verhindert werden, einen möglichen Koalitionspartner zu verprellen? Öffentlich jedenfalls schließt die CDU-Parteiführung eine schwarz-blaue Koalition bislang rigoros aus.

Die AfD will sich von den scharfen Worten nicht beeindrucken lassen. „Die CDU steht für 30 Jahre Mißstandsentwicklung“, erklärt Jörg Urban im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Die Leute wissen: Das sind Schauspieler.“ Mit Blick auf den September gibt er sich selbstsicher: „Wir sollten versuchen, die 30-Prozent-Marke zu knacken.“ Koalitionsgepräche mit der CDU seien aber derzeit noch „Zukunftsmusik“. Erst einmal müsse man gewinnen. 

Doch nicht nur links von der AfD rumort es, auch rechts von ihr spielt sich Erstaunliches ab. So lud der „Aufbruch deutscher Patrioten Mitteldeutschland“ (AdPM), die Abspaltung des ehemaligen AfD-Landesvorsitzenden aus Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, in der vergangenen Woche zum „patriotischen Aschermittwoch“ in Nentmannsdorf, unweit von Pirna. Die politische Karriere des 44jährigen hatte ein Jahr zuvor am selben Ort – damals war die Veranstaltung noch von der AfD ausgerichtet worden – ihren entscheidenden Knick erfahren, als er die Türkische Gemeinde in Deutschland als „Kümmelhändler und Kameltreiber“ beleidigt hatte (JF 09/18). Poggenburg verlor in der Folge den Fraktions- und Landesvorsitz in Sachsen-Anhalt. 

Seinen einzigen politischen Rückhalt genoß er seitdem bei Teilen der sächsischen Bürgerbewegungen. So fanden sich auch in Nentmannsdorf vornehmlich Anhänger von Pegida, Legida sowie Pro Chemnitz ein. Doch der zweite Aschermittwoch geriet früh zum Fiasko. Schon nach wenigen Minuten scherte die Pegida-Führung aus und verließ geschlossen die Halle. Sie verpaßten, wie Poggenburg in Anlehnung an seine Vorjahresrede mit einem Kamel die Halle betrat und sich in seiner Rede „einen jüngsten Tag des Volksgerichts“ für „Staatsschädlinge“ wünschte, „um diese Leute politisch unziemlich zu machen“. Der AfD-Spitze warf er „Opportunismus“ und „Machtgeilheit“ vor.

„Wir waren da, aber in einer Halle mit strammen Neonazis war es für uns unerträglich“, erklärte Pegida-Frontmann Lutz Bachmann anschließend auf Facebook. Pegida sei „mißbraucht und veralbert“ worden. Einen Tag später beschwerte er sich abermals, daß Absprachen mit Pegida, die ursprünglich an der Organisation der Aschermittwochsveranstaltung beteiligt waren, nicht eingehalten worden seien. Bachmann gibt sich ernüchtert: „Wir werden mit keiner Partei mehr irgendwas machen“, sagt er. Ein Bruch zwischen Pegida und der Poggenburg-Partei dürfte für letztere nicht zu verkraften sein. Zumal ihr weitere Probleme drohen. Poggenburgs Stellvertreter Egbert Ermer, ehemals Vorstandsmitglied des AfD-Kreisverbands Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, wird vorgeworfen in die Kasse des Verbandes gegriffen zu haben, um seine derzeit laufende Privatinsolvenz zu finanzieren. Die juristischen Auseinandersetzungen darüber laufen noch.

„André Poggenburg hat eine ‘Bad Bank’ gegründet“

Nur fünf Kilometer entfernt, beim zeitgleich stattfindenden Politischen Aschermittwoch der AfD in Cotta, nahm man die Meldungen aus Nentmannsdorf eher vergnügt auf. „Poggenburg hat eine ‘Bad Bank’ gegründet“, belustigte sich der sächsische AfD-Vize Maximilian Krah gegenüber der JF. „Alles was er an Potential hatte, hat er offenbar heute verspielt.“ Auch Urban zeigte sich durch die Pegida-Entscheidung bestätigt. „Die Bürgerbewegungen, die gerade auf der Straße aktiv sind, sind zum großen Teil unsere Wähler, sagte er. „Auch diese Leute wissen: Wenn wir eine Veränderung in Sachsen haben wollen, dann kriegen wir die bestimmt nicht mit einer neuen Splittergruppe, sondern nur mit der AfD.“