© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Trumps Sieg im Volkskongreß
Handelspolitik: Der Konflikt mit den USA ist nur eines der Probleme von China
Albrecht Rothacher

Jährlich trifft sich der 2.980köpfige Nationale Volkskongreß in Peking, um unter großem Brimborium den Reden der KP-Führer zu applaudieren und sämtliche Gesetzesprojekte mit Traummehrheiten abzunicken. 2018 ließ der 65jährige KP-Chef Xi Jinping sogar die nach-maoistische Amtszeitbeschränkung von zehn Jahren aufheben und sich faktisch als Präsident auf Lebenszeit installieren. Das Problem von allwissenden Staatschefs ist aber, daß sie dann von den Regierten auch für alles, was schiefläuft, haftbar gemacht werden.

In China läuft vieles nicht mehr rund. Neben der Kluft zwischen den Milliardären von Schanghai, hungernden Bergbauern in der südwestlichen Armutsprovinz Yunnan, rechtlosen 200 Millionen Wanderarbeitern und dem horrenden Umweltfrevel, den die Kommunisten als Diktatur der Bestverdiener bislang locker wegsteckten, tauchen nun Wirtschaftsprobleme auf, die sie mit Polizeistaatsmethoden nicht mehr bewältigen und nicht mehr durch hohe Wachstumsraten und Exporterlöse übertünchen können.

Der Staat ist über seine Staatsbanken, die große Staatskonzerne finanzieren, enorm verschuldet. Die Privathaushalte haben sich an der Börse die Finger verbrannt und investieren seither massiv in „Betongold“. Wie in Spanien vor 2008 werden auf Kredit Zweitwohnungen in menschenleeren Trabantenstädten gekauft in der Erwartung, daß sich ihr Wert binnen weniger Jahre verdoppelt. Eine klassische Immobilienblase, deren Platzen anno 1989 auch die japanische Wirtschaft dauerhaft in die Knie zwang.

Für die im laufenden Jahr auf sechs Prozent reduzierte Planvorgabe des Wirtschaftswachstums machte Premier Li Keqiang die Strafzölle verantwortlich, die Exportgüter für 250 Milliarden Dollar treffen – die Hälfte der chinesischen Ausfuhren in die USA. Tatsächlich hat sich der Handelskrieg bereits zu einem veritablen US-Technologiekrieg gegen die linientreuen chinesischen Technologiegiganten Tencent, Baidu, Xiaomi und Huawei ausgeweitet, deren Gründer zumeist brav auf dem Volkskongreß erschienen waren, um der Parteilinie und ihren Instruktionen zu huldigen.

„Lieber keinen Deal machen“?

Und Donald Trumps handelspolitische Daumenschrauben scheinen in Peking zu wirken: China verspricht geistiges Eigentum besser zu schützen und ausländische Investoren bei Gemeinschaftsfirmen nicht mehr zum Technologietransfer zu zwingen. Gleichzeitig wird die Mehrwertsteuer (VAT) von 17 auf 13 Prozent und im Baugewerbe auf neun Prozent reduziert, um so die Binnennachfrage anzukurbeln. Ende März wollen sich Xi Jinping und Trump wieder treffen. Wahrscheinlich wird Xi, wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, höhere Sojabohnen- und Flüssiggasimporte versprechen. Vizehandelsminister Wang Shouwen äußerte sich am Samstag auf dem Volkskongreß optimistisch: Man habe „substantielle Fortschritte in einigen wichtigen Fragen“ erzielt. Trump bekräftigte in Washington hingegen: „Wenn wir für unser Land keinen sehr guten Deal machen, werde ich lieber keinen Deal machen.“ Und Richard Grenell, US-Botschafter in Berlin, forderte die Bundesregierung schriftlich auf, wegen der Huawei-Beteiligung am deutschen 5G-Mobilfunknetz umzudenken.

Chinas Hauptproblem ist jene Handvoll von Xi-Freunden und KP-konformen Milliardären auf der einen Seite, eine große, politisch frustrierte Mittelschicht dazwischen, sowie eine enorme Unterschicht, die wenig zu verlieren hat. Darunter sind jene 30 Millionen, die weniger als 1,15 Euro am Tag verdienen und jene 60 Millionen halbverlassene Kinder der Wanderarbeiter, die als Tagelöhner in den Großstädten weiter ihr Glück versuchen. Was passiert, wenn es zu Massenarbeitslosigkeit bei einem konjunkturellen Niedergang kommt?

Xi hat das Verschwinden der Armut binnen Jahresfrist verkündet. Gleichzeitig erhöht er als Chef der Zentralen Militärkommission das Rüstungsbudget auf 300 Milliarden Dollar, um den USA mit Flugzeugträgern und Mittelstreckenraketen Paroli zu bieten. Gleichzeitig behauptet das KP-Regime zu seiner Legitimierung, das westliche Modell mit seiner pluralistischen und konfliktreichen Demokratie sei im Niedergang.

Die Europäer erhoffen sich vom 21. EU-China-Gipfel am 9. April in Brüssel endlich den Schutz ihrer Investitionen in China, einen besseren Marktzugang, den Respekt vor den Welthandelsregeln, den Ausgleich des Handelsdefizits und den Zugang zum Beschaffungswesen.