© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Zweckmäßige Wahrheiten
Klimawandel-Netzwerker: Die Beraterfirma Adelphi stellt „Rechtspopulisten“ an den Pranger / Enge Kooperation mit Bundesministerien
Mathias Pellack

Insgesamt säßen sieben rechtspopulistische Parteien im EU-Parlament, sagt Alexander Carius, Gründer des Beratungsinstituts Adelphi, gegenüber der Süddeutschen Zeitung, die den menschengemachten Klimawandel leugneten: die AfD, die FPÖ, die Schwedendemokraten, die Dänische Volkspartei, die Estnische Konservative Volkspartei, die britische Ukip und Geert Wilders’ Partei für die Freiheit. Diese gehörten zu den Klimawandelleugnern. Carius’ findet: „Die Klimaschutzgegner agitierten gegen ‘die da oben’, gegen wissenschaftliche und mediale Eliten, die das Thema transportieren.“

Linke und Grüne nehmen den Ball gern auf

Der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Schieder ,nahm den Ball gern auf und kritisierte die FPÖ, die „zwar viel zur Vergiftung des politischen Klimas, aber null zum Schutz unseres Klimas“ beitrage. „Seit Jahren stellen hochrangige FPÖ-Vertreter den Klimawandel regelmäßig in Frage. FPÖ-Vizekanzler Strache meinte allen Ernstes, daß es eine offene Frage sei, inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen könne“, so der Sozialdemokrat. Auch die Grüne Gabi Zornig warf unter Hinweis auf die Adelphi-Studie der FPÖ vor, „gemeinsame Sache mit der Öl- und Gaslobby in Europa und Rußland sowie mit hochbezahlten Beratern von Instituten, die ihrerseits den Klimawandel leugnen“, zu machen.

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky weist diese Vorwürfe gegenüber der JF zurück. Sie seien an Absurdität fast nicht mehr zu überbieten. „Anscheinend sind gerade wir die einzigen, die dieses Thema differenzierter sehen. Die E-Mobilität als Allheilsbringer aller Probleme ist so ein Beispiel.“ Der Kampf der Grünen dafür  sei ein Kampf gegen den Diesel. So fördern sie „den umweltschädlichen Abbau von Kobalt. Zudem werden die Arbeitszustände in diesen Minen, wo auch Kinder schuften müssen, als katastrophal beschrieben.“

Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Leif Erik Holm, dementiert die Anschuldigungen gegenüber der JF. Niemand in der AfD bestreite den Klimawandel. „Das Klima ändert sich unzweifelhaft, seit es die Erde gibt.“ Aus den Modellierungen der überaus komplexen Klimafaktoren lasse sich kein Beweis für eine Sichtweise erbringen. „Eine Frechheit ist es, daß mal wieder von ‘Klimaleugnern’ gesprochen wird. Verräterisch, findet hier doch ‘Framing’ statt einer kritischen Auseinandersetzung statt. Es geht eben nicht um eine wissenschaftliche Debatte, sondern um die Durchsetzung der vermeintlich einzig zulässigen Meinung. Das hat schon Züge einer Religion angenommen.“

Carius’ multimillionenschweres Institut beschreibt sich selbst als eine „führende Beratungseinrichtung für Klima, Umwelt und Entwicklung“. Er, der Geschäftsfüher, übergab bereits 2015 zusammen mit Dan Smith (International Alert) dem damaligen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine zusammen mit dem Woodrow Wilson Center (Washington) und dem EU Institute for Security Studies (Paris) verfaßte Studie, die das Klima als Risiko für die Stabilität von Staaten weltweit bewertet. Die Außenminister der G7 besprachen das Ergebnis anschließend in Lübeck.

Steinmeier zeigte sich erfreut darüber, daß „wir auf der Grundlage der jetzt vorliegenden Studie gemeinsame Maßnahmen entwickeln und Impulse für internationale Prozesse geben können. Sinkende Einkommensmöglichkeiten, unbewohnbare Rückzugsräume und Fragen des Ressourcenzugangs“ könnten zu „zwischenstaatlichen Spannungen, zum Zerfall von Staaten und Gesellschaften führen“. Eine neue Kultur der Zusammenarbeit sei daher nötig.

Adelphis jüngstes Werk mit dem klingenden Namen „Convenient Truths“, zu deutsch: „Zweckmäßige Wahrheiten“, befürchtet nun eine Umverteilung der Parlamentssitze nach den Europawahlen im Mai. „Damit wachsen der Einfluß von Rechtspopulisten in der EU und ihre Möglichkeiten, die Klima- und Ener-giepolitik zu torpedieren“, sagt Carius.

Die Studie erstellten eine Mitarbeiterin von Adelphi, die im Themenbereich Klimadiplomatie arbeitet, und Carius, dessen Institut sich rühmt, mittlerweile über 180 Mitarbeiter zu beschäftigen. Nicht oft steht sein Name unter Studien – ungewöhnlich ist auch, daß diese vom eigenen Haus bezahlt wurde, wie Adelphi der JF gegenüber angab.

Woher kommen also die Gelder? Von 193 Aufträgen, die Adelphi für den Zeitraum 2018 listet, kam mehr als jeder zehnte von EU-Institutionen (25). Die Europäische Kommission und untergeordnete Ämter wie das Europäische Amt für Zusammenarbeit – Europe Aid erkauften Adelphis Rat für Programme wie „Switch Africa Green“ – ein Projekt, das grüne Wirtschaft in Afrika fördert. 

Wie teuer derartige Untersuchungen sind, teilte Adelphi nicht mit. Für eine andere Studie namens „Wirtschaftliche Chancen durch den Klimaschutz“, die das Klimaberatungsunternehmen für das Umweltbundesamt (UBA) durchgeführt hat, zahlte das Amt, laut Angaben der JF gegenüber, knapp 400.000 Euro. Dieses Projekt endete 2017.

Im folgenden Jahr überwies das UBA  insgesamt 1,96 Millionen Euro. Wieviel Geld das übergeordnete Bundesministerium für Umwelt (BMU) 2018 zahlte, konnte das Ministerium nicht sagen. Auf Anfrage der JF teilte es mit: „Eine Auflistung der Informationen liegt uns nicht vor.“ Geldnot braucht Adelphi indes nicht zu fürchten, denn die Pressesprecherin des BMU versicherte: „Die Mittel wurden vertragsgemäß ausgezahlt.“

In einer Analyse des Klima-Berartungsinstituts heißt es: „Verschiedene Studien bescheinigen der deutschen Klimaschutzindustrie eine hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit sowie ein nachhaltiges und starkes Wachstum – auch im Vergleich zu anderen deutschen Industrieexporten.“ Es ist ein globales Geschäftsmodell. Private Investoren und große Pensionsfonds etwa haben laut Carius damit begonnen 3,4 Billiarden Dollar aus fossilen Anlagen abzuziehen. Zusammengefaßt werde das als „Divestment“. Profitieren würde vor allem die Klima-Industrie (JF 6/19).

„Das Problem ist die verkrustete Gesellschaft“

Die deutsche Klimaschutzwirtschaft beschäftigte bereits 2014 eine halbe Million Menschen – Tendenz steigend. Das Geschäftsvolumen der beiden Adelphi-Teilgesellschaften, die Adelphi Consult GmbH und die Adelphi Research GmbH, wächst stetig. 

Die überwiegende Mehrheit der von Adelphi gelisteteten Aufträge kommt von Bundesinstitutionen. Es sind 130 für 2018. Zwei von drei kommen demnach entweder vom Umweltbundesamt (33), dem Bundesministerium für Umwelt (22) oder anderen öffentlichen Einrichtungen der Bundesrepublik wie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (40) – ein staatliches Unternehmen für Entwicklungshilfe. Lediglich drei Aufträge erteilten produzierende Unternehmen (Siemens und Bosch).

Adelphi schmückt sich damit, den deutschen Einzelhandel dazu gebracht zu haben, ein Entgelt auf Plastiktüten zu verlangen, um den Kunststoffmüll zu verringern. Doch warum wendet sich das jahrelang mit Klimaberatung erfolgreiche Unternehmen Adelphi nun der europäischen Parteienlandschaft zu?

 „FCK AFD“ steht groß auf der Präsentationsfolie, die Carius den Berliner Gymnasiasten bei der Veranstaltung „Change! Klimakongreß“ im Januar 2019 zeigt. Carius erklärt den Schülern vom Podium herab: „Diese sehr einfache Reaktion teile ich nicht unbedingt – im Herzen schon.“ Die Folie zuvor bietet den Anblick einer rechtsextremen Demonstration mit mehreren Reichskriegsflaggen.

Das Problem sei eigentlich unsere verkrustete Gesellschaft, fährt er fort. Später wird ein Video der Veranstaltung von der Stiftung Futurzwei, einem Partner der links-alternativen taz, ins Netz gestellt. Das Jahr der Flüchtlingskrise 2015 nennt der Mittfünfziger eine Sternstunde unserer Demokratie, aber nicht ohne sich wieder zu distanzieren – und zwar von Deutschland: Es sei eben ein Land von Gartenzwergen. Man habe hier unglaubliche Angst vor Veränderung. So fordert er am Ende der Vorstellung die Schüler auf, sich politisch zu engagieren: in Parteien oder bei seiner Initiative Offene Gesellschaft (siehe Infokasten).





Initiative Offene Gesellschaft

Nach eigenen Angaben wurde die Initiative Offene Gesellschaft (IOG) im September 2016 gegründet. Wegen der Flüchtlingskrise, dem Brexit und einhergehenden „Ausgrenzungswünschen, Fake News, Haß und Hetze“ will sie die „Demokratie gegen ihre Feinde verteidigen“ und „unsere Gesellschaft weiterentwickeln“. Die IOG biete all jenen eine Bühne, die sich für eine „offene Gesellschaft“ einsetzen: „Von der Townhall-Hall-Debatte bis zur Tafel der Vielfalt, vom Festival bis zum Storytelling-Abend.“ Maike Carius führt die Projekte durch. Partner sind das Bundesministerium für Familie, die Robert-Bosch-Stiftung, die Bertelsmann-Stiftung, die Diakonie, die Vodafone-Stiftung Deutschland, Young Caritas und die Stiftung FuturZwei sowie Carius‘ Adelphi-Institut. 

Gegründet wurde die Initiative von Alexander Carius, Geschäftsführer des Berliner Beratungsunternehmens Adelphi (siehe oben), dem Sozialpsychologen und Publizisten Harald Welzer sowie André Wilkens. Wilkens war Leiter für Strategische Kommunikation beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Leiter des Open Society-Instituts (OSI) der Soros-Stiftung in Brüssel und Koordinator der Aktivitäten des US-Milliardärs George Soros in Eu-ropa sowie Initiator und Gründungsmitglied des von den Open Society Foundations (OSF) unterstützten European Council for Foreign Relations (ECFR). Bis 2015 leitete er das Projektzentrum Berlin der Stiftung Mercator. Dessen Ziel, so Wilkens, sei es als „Mitgestalter der Politik in Berlin“ die Themen Klimawandel, Integration und Migration sowie kulturelle Bildung „voranzutreiben“. Zur Zeit ist er Direktor der Europäischen Kulturstiftung (European Cultural Foundation, ECF) mit Sitz in Amsterdam („Wir glauben an ein immer demokratischeres, offeneres und integrativeres Europa“).

Welzer ist Direktor der „Futurzwei Stiftung Zukunftsfähigkeit“. Die „Bewegung“ propagiert „enkeltaugliche Lebensstile, Postwachstum, Gemeinwohl-Ökonomie“ und kämpft gegen die Fortsetzung des „zukunftsuntauglichen business as usual“. Die Aktivisten um Welzer wollen keine „Schlechtmenschen“ sein. Sie setzen auf „Widerstand, Gemeinschaftlichkeit und Selbstermächtigung“, um weiter an der „sozial-ökologischen Transformation“ sowie der „sozialen und ökologischen Zivilisierung unseres Lebens zu arbeiten“. 

www.die-offene-gesellschaft.de