© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Mitteilung der Zeit an ihre Leser zum Weltfrauentag: „Liebe Zeit-Leserinnen, liebe Zeit-Leser, bitte beachten Sie: wegen des morgigen Weltfrauentages arbeiten die weiblichen Mitarbeiterinnen des Zeit-Verlages morgen nicht. Der Betrieb läuft wie gewohnt weiter.“

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Sicher eine Generationenfrage: ob das Schreiben eine Anrede enthält, die jenseits von „Hi“ oder „Hallo“ liegt, ob die doctores einander „doktern“, ob man für eine erteilte Auskunft Dank erwarten darf.

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Die höchstamtliche Zustimmung zu Schülerstreiks ist natürlich auch eine Folge des linken Marsches durch die Institutionen. Allerdings wollen wir im Blick behalten, daß der erste Akt solch heroischer Auflehnung vor fast einhundert Jahren stattfand. Damals zogen deutsche Gymnasiasten während sie eigentlich ihre Bänke drücken sollten mit schwarz-weiß-roten Fahnen durch die Städte und protestierten so gegen das Abhängen der Kaiserbilder in den Klassenzimmern.

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Wenn sich die Gelegenheit ergibt, dem Bundespräsidenten beizupflichten, sollte man sie nutzen: Es muß etwas getan werden, meinte der Amtsinhaber unlängst, gegen die Verachtung der Vernunft, „die wir heute in vielen Teilen der Welt und auch bei uns zu Hause beobachten“.

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Der Rückzug Sahra Wagenknechts von der Spitze ihrer kaum ins Leben getretenen Bewegung „Aufstehen!“, das Verdämmern der „Fünf Sterne“ in Italien und der Niedergang der „Gelbwesten“ in Frankreich verweisen auf Grundprobleme aller Populismen. Sie müssen sich hinreichend deutlich vom etablierten Betrieb unterscheiden, das Wohlwollen der Leitmedien ist eher Fluch als Segen, aber vor allem: ihre Spontaneität und innere Heterogenität bedürfen des Volkstribunen, der alles zusammenhält. Wenn der nicht auf die Bühne tritt, hat man es nur mit einem Strohfeuer zu tun, ganz gleich wie vollmundig ein Politik- oder gar ein Systemwechsel angekündigt wurde.

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Bildungsbericht in loser Folge CXXI: Der „Digitalpakt“ zwischen Bund und Ländern, um die Schulen letzterer „ans Netz“ zu bringen und fit für die Zukunft zu machen, hat erstaunlich schnell das Interesse der Öffentlichkeit eingebüßt. Was sicher an der Kompliziertheit der Umsetzung, aber leider nicht an der inneren Problematik des Vorgangs liegt. Die hat kaum mit dem Beharren einiger unbelehrbarer Föderalisten oder ewiggestriger Technikfeinde zu tun, eher mit der erfahrungsgesättigten Einsicht, daß die Neigung zum Abdriften in Parallelwelten, die Übernächtigung, der Bewegungsmangel, die kollektive Unkonzentriertheit und die endemisch verbreitete Kurzsichtigkeit mit der Nutzung von Bildschirmgeräten zu tun haben und man jenen Philanthropen nicht über den Weg trauen darf, die sich erbötig machen, pädagogisch auszuhelfen und deren Credo lautet: „Wir werden Menschen einfach wie Maschinen behandeln. Beide sind programmierbar.“ (Bill Gates)

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Wie man einem Bericht des Zentrums für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld entnehmen darf, hat dort eine erfolgreiche Tagung zum Thema RWP (Right-Wing Populism) und Gender stattgefunden. Als Ergebnis hielt man fest, daß es gelte, den Kampf gegen Vorstellungen aufzunehmen, die letztlich einen „sexuellen Nationalismus“ oder „Exzeptionalismus“ vertreten, der sich insbesondere gegen Muslime und deren angebliche „sexuelle Rückständigkeit“ richte.

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Die gelegentliche Meditation über den Satz des verewigten Erzbischofs Dyba, daß man vor zehn Jahren für verrückt gehalten worden wäre, wenn man die gesellschaftliche Durchsetzung dieser oder jener Absurdität als Normalität prophezeit hätte, verliert nach und nach ihre tröstende Kraft.

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„Wie viele Verrätereien der Weltgeschichte sind im Grunde nichts Schlimmeres gewesen als Rechenfehler, beruhend auf irriger Voraussage und untüchtigem Handeln. Allein in der Politik sind eben Rechenfehler die unverzeihbare Sünde.“ (C. V. Wedgwood)

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Eine große Tageszeitung berichtet über das traurige Schicksal des Manfred W., dessen Rente nach fünfunddreißig Arbeitsjahren kaum zum Leben reicht. Bringt man alles in Abzug, was die Darstellung an Sozialkitsch enthält, bleibt doch ein unbestreitbarer Sachverhalt: Ein Land, in dem schon mal „niedrige zweistellige Millionenbeträge“ lockergemacht werden, um Leuten aus ihrer persönlich verursachten, aber politisch-korrekten Patsche zu helfen, in dem man riesige Summen für die Umerziehung der Bevölkerungsmehrheit aufwendet und die Verantwortlichen weder die Kosten von Zuwanderung noch die von Gebäuden, Flughäfen, Eisenbahnen, Schiffen oder Waffensystemen kalkulieren können, bleibt dem Jedermann nichts, als sein Schicksal zu bejammern – ohne Aussicht auf Abhilfe.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 15. März in der JF-Ausgabe 12/19.