© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/19 / 15. März 2019

Standhaft beharrte sie auf ihren Positionen
Vor fünfzig Jahren: Golda Meir wird neue Ministerpräsidentin Israels
Jürgen W. Schmidt

Am 17. März 1969 wählte das Parlament Israels mit 84 gegen 12 Stimmen Golda Meir zur ersten weiblichen Ministerpräsidentin Israels in Nachfolge des verstorbenen Levi Eschkol, was gerade für religiöse Fundamentalisten in Israel eine Zumutung darstellte. Allerdings hatte schon der Gründungsvater Israels Ben Gurion die durchsetzungsstarke Frau, welche früher mehrfach Ministerposten in der israelischen Regierung bekleidete, als „den einzigen Mann in seinem Kabinett“ bezeichnet.

Die neue Ministerpräsidentin war am 3. Mai 1898 in Kiew im russischen Zarenreich geboren worden. 1906 wanderte die Familie wegen der Judenfeindschaft und ständigen Pogromgefahr in die USA aus. Als junge Frau neigte Golda zu sozialistischen Ideen und heiratete einen amerikanischen jüdischen Sozialisten namens Meyerson, woraus abgekürzt ihr späterer Familienname entstand. Mit ihrem Mann zog die vom Zionismus inspirierte willensstarke Frau 1921 nach Palästina, wo ihre beiden Kinder in Jerusalem zur Welt kamen.

Sie warb Spenden für die Bewaffnung Israels ein  

Golda Meir war harte Arbeit gewohnt und gehörte zur frühen Einwanderergeneration, welche die öden Landstriche Palästinas fruchtbar machte. Anfänglich arbeitete sie als Geflügelzüchterin in einem Kibbuz, wurde später sie Aktivistin in der jüdischen Gewerkschaft Histadrut und Sekretärin der jüdischen Frauenorganisation „Women’s Labor Union“. Oft weilte Golda Meir in den folgenden Jahren in Europa und in den USA und Kanada, um für die jüdische Einwanderung nach Palästina zu werben und Geldspenden zu sammeln. Konflikte mit der britischen Ordnungsmacht in Palästina blieben nicht aus. Weil sie standhaft und schlagfertig im Gespräch mit den Briten auf ihren Positionen zu bestehen pflegte, sandte ein britischer Hochkommissar von Palästina damals an einen Kollegen die Warnung: „Hüten Sie sich vor Mrs. Meyerson. Sie ist eine schreckliche Person.“

Bleibende Verdienste um den jungen Staat Israel erwarb sich Golda Meir, als sie kurz vor der israelischen Staatsgründung in einem mehrmonatigen Propagandafeldzug in den USA 25 Millionen Dollar Spendengelder einwarb, welche der Bewaffnung der künftigen israelischen Armee mit Waffen aus der Tschechoslowakei dienten. Diese Waffen waren für das Überleben Israels bitter notwendig, denn gleich nach der Staatsgründung im Mai 1948 wurde Israel von allen seinen arabischen Nachbarn zugleich angegriffen. Obwohl sich Israel in schweren Kämpfen schließlich behauptete, mußte man 6.000 Todesopfer beklagen, etwa ein Prozent der damaligen Bevölkerung Israels.

Als spätere Arbeitsministerin war Golda Meir erfolgreich bemüht Industrialisierungs- und Wohnungsbauprogramme anzuschieben, um die zwei wichtigsten sozialen Fragen „Arbeitsplätze“ und „Wohnungen“ zu lösen. Späterhin war Golda Meir als stimmgewaltige Außenministerin weltweit unterwegs, um dem jungen Staat völkerrechtliche Anerkennung zu verschaffen. Seltsamerweise konnte sie mit Willy Brandt keine gemeinsame Sprache finden, und dieser bezeichnete sie hinter ihrem Rücken abfällig als „Expansionistin“.

Als israelische Ministerpräsidentin war Golda Meirs schwerste Bewährungsprobe der Jom-Kippur-Krieg von 1973. Obwohl sie ihr politisches Bauchgefühl bereits Tage vor Kriegsausbruch zur israelischen Mobilmachung drängte, verließ sie sich auf die in ihren Augen kompetenteren Ansichten der israelischen Geheimdienstchefs, des israelischen Generalstabes und auf Verteidigungsminister Moshe Dayan. In ihrem Erinnerungsbuch „Mein Leben“, auf deutsch 1975 erschienen, hat sie ihre verzögerte Entscheidung sehr bedauert. Einige Tage schien die Existenz Israels auf dem Spiel zu stehen, bevor sich die israelische Armee unter größeren Verlusten doch noch gegen die Angreifer durchsetzen konnte und günstige Waffenstillstandsbedingungen erzielte.

Golda Meir exerzierte nach fünfjähriger Amtszeit als Ministerpräsidentin das, was männlichen Politikern mitunter schwerfällt, nämlich einen selbstgewählten Zeitpunkt zum Abtritt aus ihrem Amt. Am 8. Dezember 1978 verstarb sie hochgeehrt und hochgeachtet in Jerusalem.