© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/19 / 22. März 2019

Catherine Nixey hat mit ihrem Buch in Großbritannien Erschütterung ausgelöst.
Heiliger Zorn
Moritz Schwarz

Den Horror, von dem die junge Frau berichtet, wirkt nur zu bekannt: Die Horde Bärtiger aus der syrischen Wüste, eifernd ihren einen Gott beschwörend, sammelte sich vor der Oasenstadt Palmyra. Dann stürmen die Fanatiker das antike Kleinod, seit 1980 Unesco-Weltkulturerbe, reißen Tempel nieder, stürzen Statuen um, verbrennen Schriften. Wie im Wahn zerstören sie die einzigartigen historischen und kulturellen Schätze dieses „ungläubigen“ Ortes. Dann, wenn der heilige Furor der Barbaren der Erschöpfung gewichen ist, löst die bislang unbekannte Autorin effektvoll ihr Verwirrspiel auf – und hat das Staunen, mehr noch, das Entsetzen auf ihrer Seite: Nicht der Islamische Staat, wie ihre Leser assoziieren sollen, hat hier gewütet – sondern antike Urchristen. 

Mit ihrem sarkastischen Erzählgeschick und scheinbar skandalösen Thema hat sich die Historikerin Catherine Nixey,  Anfang Dreißig und gerade noch ein „Niemand“, in Großbritannien und den USA rasch einen Namen gemacht. Ihr Buch „The Darkening Age“ (Das sich verdunkelnde Zeitalter) sorgt dort für Abscheu und Aufmerksamkeit. Schon haben renommierte Tageszeitungen und das BBC History Magazine ihren Erstling zum „Buch des Jahres“ gekürt, hat die Royal Society of Literature das Fräuleinwunder mit einem Preis dekoriert.

Dabei zählt die zartgliedrige Londonerin mit den freundlichen Augen, die in Cambridge Alte Geschichte studiert hat, nicht zu jenen Historikern, deren Geschäftsmodell das Beackern des westlichen Schuldkults ist. Längst verdient sie ihre Brötchen nämlich als Journalistin der britischen Times. Dennoch widmete sich die Katholikin weiterhin ihrem Steckenpferd, speziell spätantiken Philosophen, wodurch sie auf das Thema stieß, das erst sie und nun ihre Leser erschreckt: Die historische Wahrheit hinter der Mär vom Sieg des Christentums dank der entwaffnenden Sanftheit des Gotteslamms. Tatsächlich waren vielfach Zwang, Mord und Terror Mittel der Wahl – auch in der „Disputation“ mit Nixeys heidnischen Philosophen. 

Zumindest in Deutschland jedoch mag ihr Erfolg überraschen, kennt man hierzulande doch schwerere Kaliber, etwa Karlheinz Deschners demagogisches, aber auch faktenstarkes, tief erschütterndes Monumentalwerk „Kriminalgeschichte des Christentums“. Gehört bei uns das Wissen um Karl des Großen „Schwertmission“, die Schreckensherrschaft des deutschen Hexenhammers oder den Todeswünsche ausstoßenden Wüterich Luther doch zur Nationalgeschichtsschreibung. Wird sich dennoch wiederholen, was die Britin zu Hause ausgelöst hat? Zumindest wird auch bei uns Nixey, deren Eltern übrigens eine ehemalige Nonne und ein Mönch sind, zu einem Namen werden, wenn am 8. April ihr Buch unter dem Titel „Heiliger Zorn. Wie die frühen Christen die Antike zerstörten“ erscheint.