© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/19 / 22. März 2019

Widerstand gegen kanadisches Klimaschutzgesetz
Amerikanische Blütenträume
Thomas Kirchner

Grüne Blütenträume scheitern auch in Amerika an der wirtschaftlichen Realität. Dies merkt nicht nur Medienliebling AOC, das US-demokratische Nachwuchstalent Alexandria Ocasio-Cortez, deren „Green New Deal“ (JF 10/19) nicht nur von arbeiterfreundlichen Parteifreunden verspottet wird. Auch der EU-Lieblingsamerikaner, Kanadas Premier Justin Trudeau, fährt mit seiner am Jahresanfang in Kraft getretenen CO2-Steuer auf Crashkurs.

Dabei hatte der 47jährige Linksliberale doch Konzessionen für energieintensive Branchen wie Zement und Chemie durchgesetzt. Die stärksten CO2-Erzeuger müssen nur für zehn Prozent ihrer Emissionen zahlen. Damit wird zwar das angebliche Ziel der Steuer, die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, konterkariert. Doch das politische Ziel, eine CO2-Besteuerung durchzusetzen, war erreicht. Dabei stößt Trudeau an die Grenzen der föderalistischen Struktur Kanadas: Ottawa fordert lediglich Mindeststandards, ähnlich wie die EU ihren Mitgliedsstaaten gegenüber. Deshalb haben die Provinzen jetzt unterschiedliche CO2-Mechanismen: Das französischsprachige Québec setzt wie die EU auf einen Handel mit CO2-Zertifikaten, das pazifische British Columbia auf CO2-Steuern. Zu welchen wirtschaftlichen Verzerrungen dies führt, muß sich noch zeigen.

Falls es soweit kommt. Denn der Widerstand regt sich auch ohne Gelbwesten. Es sind die ärmsten Haushalte, die am meisten unter den gestiegenen Energiekosten leiden. In einigen Provinzen, in denen besonders viel mit Öl statt Gas geheizt wird, wurde deshalb Heizöl begünstigt. In der Ostprovinz Neubraunschweig hingegen ist die Kohleverstromung ausgenommen, trotzdem wird der Durchschnittshaushalt dort 2022 mit jährlich umgerechnet 400 Euro belastet, wovon nur etwa 160 Euro über Steuerboni rückerstattet werden.

Doug Ford, der konservative Premier von Ontario, hat vor dem Obersten Gericht Klage gegen das „Treibhausgasgesetz“ (GHGPPA) eingereicht. Der Prozeß wird sich über Jahre hinziehen. Größere Chancen hat der Plan von Andrew Scheer. Statt wie Trudeau Firmen von den Kosten zu befreien und bei Privathaushalten abzukassieren, will er das Gegenteil: Haushalte befreien und Unternehmen zur Kasse bitten. Wirtschaftlich tragbar ist das natürlich nicht, aber der Kanada-Chef der Konservativen ist nur Oppositionsführer. Zumindest vorläufig, denn Trudeau kämpft nach Vorwürfen über Einmischung in die Justiz um sein politisches Überleben. Bei einem Regierungswechsel nach der Wahl am 21. Oktober würden die CO2-Regeln wohl so verwässert, daß die Kosten die Betroffenen nicht mehr so schädigen würden. Angesichts der kanadischen Erfahrung bleibt die Frage: Wie lange kann Deutschland noch mit seiner ruinösen Energiewende wie auf einer einsamen Insel leben, wenn sich im Rest der Welt langsam wieder die Vernunft durchsetzt?