© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/19 / 22. März 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Ist das alles Relotius – oder kann das weg?“ Die ironische Bemerkung im Café der Sowjetzone, geäußert mit Blick auf die drei Gäste, die ratlos ob der ewiggleichen Neuigkeiten die Tageszeitungen austauschen, läßt kurz alle auflachen. Sofort begreife ich den Moment als Kampfauftrag zur bevorstehenden Geburtstagsfeier Matthias Matusseks: „Alles in mir relotiert / Hör’ ich rechte Fake-News-Rede / Die von jedermann mit Recht gemieden wird. / So’n Typ hat es sich selber zuzuschreiben / Daß er nicht mehr schreiben kann fürs Blatt / Soll ich mit ihm auf Grußfuß bleiben / Den die Antifa geoutet hat? Nein, das ist mir nicht möglich! Nein, das ist mir nicht möglich!“ Bertolt Brechts dreistrophiges „Lied des Speichelleckers“, das ich in einem Atemzug umgepolt habe, entpuppt sich als prophetisch: Sprach ich doch mit Reinhold Beckmann, nachdem dieser widerwillig („Scheiße ...“) sein Geburtstagsständchen – den von ihm ins Deutsche übertragenen Bob-Dylan-Song „Things have changed“ – vorgetragen hatte, und erörtete mit ihm die Differenz zu dem Lied „The Times They Are A-Changin´“. Dort heißt es: „Come writers und critics / Who prophesize with your pen / And keep your eyes wide / The chance won’t come again“.


Das frühkindliche Paradigma Lacans vom „Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion“ kommt mir in den Sinn, als ich den feministischen Buchladen in der Schönhauser Allee betrete, wo ein Kunde den Titel „Eure Heimat ist unser Albtraum“ (Ullstein) verlangt – es ist dasselbe Geschäft, das damals Sarrazins Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ boykottiert hatte. Im Prinzip, so mein Umkehrschluß, könnte ein autochthones deutsches Autorenkollektiv mit Blick auf die zunehmende Islamisierung einen gleichlautenden Titel wie den von Ullstein herausgeben. Schließlich sind identische „Widerworte“ (Alexander Kissler vs. Alice Weidel) gerade Mode. Unwillkürlich denke ich, wie Integration dialogisch im Handumdrehen gelingen könnte – auf die ostentative Frage des Aydan-Özoguz-Milieus, was denn bitteschön deutsch sein solle, die Antwort: „Deine Frage.“ Dabei ist der migrantische Albtraum real, so jüngst in der U-Bahn, wo die auf Krawall gebürstete junge Deutsche den gegenüber sitzenden Inder verhöhnt: „Geh zu Mami / Merkel / und beschwer dich – solang sie noch da ist!“ Dabei dürfen wir nicht vergessen: „Die Kanzlerin schürzt das Recht.“


Derweil bringt mich Künstler D. zum Lachen, als er mich im ernsthaften Ton fragt: „Wird der Flügel in der AfD eigentlich von Red Bull gesponsert?“