© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/19 / 22. März 2019

Eine Frage des Vertrauens
FAZ: Mitherausgeber Holger Steltzner verläßt das Blatt
Ronald Berthold

Seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise hat die FAZ jeden siebten Käufer verloren. Im vierten Quartal 2018 sank die Abonnement- und Kiosk-Auflage erstmals unter 200.000. Eine Ursache für den Absturz: Mit ihrem politischen Schwenk dürfte sie einen Teil ihrer bürgerlichen Leser verprellt haben. Statt umzukehren, schleift das Blatt seine letzten konservativen Bastionen. Jetzt muß auch Mitherausgeber Holger Steltzner gehen – ein profilierter Euro-Kritiker und Klimahysterie-Skeptiker. Zuletzt war Blogger Don Alphonso vor die Tür gesetzt worden.

Die Bombe platzte am Montag. Da gab das Verlagshaus bekannt, daß es Steltzner aus dem vierköpfigen Herausgeber-Gremium feuert. Der 56jährige hatte das Wirtschaftsressort verantwortet und dort das verlorengegangene Profil der alten Frankfurter Allgemeinen hochgehalten. Die Begründung hat es in sich: „Die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Herausgebern war nicht mehr gegeben.“

Keine konkreten Gründe bekanntgegeben

Steltzner ist ein Urgestein der FAZ. Seit 1993 arbeitete er dort. Neun Jahre später stieg er zum Herausgeber auf. Während die Linie des Blattes sich dem Zeitgeist anpaßte, blieb sich der Jurist und Betriebswirt treu. Über konkrete Gründe für die Trennung hüllt sich der Verlag in Schweigen. Es heißt, selbst die Mitarbeiter seien von der Entscheidung überrascht gewesen. „Das wäre ja mal ganz was Neues, daß die FAZ den wahren Grund nennt, wenn sie einen Herausgeber feuert“, twitterte Hugo Müller-Vogg ironisch. Er wisse dementsprechend auch nicht, „welcher Intrige Steltzner zum Opfer fiel“. 2001 hatte Müller-Vogg als Herausgeber gehen müssen, mit einer ähnlichen Begründung: „zerstörte Vertrauensbasis“.

Zum Verhängnis könnte Steltzner neben seiner Euro-kritischen Haltung auch sein Widerspruch zur Klima-Hysterie geworden sein. Insbesondere, da in den vergangenen Wochen der menschengemachte Klimawandel mit der infantilen Greta-Ikonisierung praktisch zur Staats- und Medienreligion erhoben wurde – und das FAZ-Feuilleton sich dabei auf Schülerzeitungs-Niveau begab. Oft dulden Klimakatastrophen-Fanatiker keine abweichende Meinung, sei sie auch noch so fundiert. War es das, was das Faß zum Überlaufen und Steltz­ner letztlich den Laufpaß einbrachte?

Bereits 2017 hatte der frühere Investmentbanker eines Schweizer Geldinstituts vom „vermeintlichen Treibhausgas Kohlendioxid“ geschrieben – eine unerhörte Provokation für viele aktivistische Journalisten. Niemand außerhalb der FAZ weiß, wie in den Redaktionskonferenzen über die gehypten „Fridays for Future“-Schülerdemonstrationen diskutiert wurde. Gut möglich, daß Steltzner kein Blatt vor den Mund nahm und mit seiner gewohnt freien Sprache zum Störenfried im Konsens-Journalismus des Blattes geworden ist, der entfernt gehört. 

In Steltzners Ressort fanden sich auch kritische Texte zur Energiewende; ein Alleinstellungsmerkmal in einer auch in anderen Fragen der Kanzlerin treu ergebenen Mainstream-Presse. Spätestens seit dem Herbst 2015 gehört – von einigen seltener werdenden Ausnahmen abgesehen – der Politikteil der FAZ dazu. Nur in der Wirtschaft regte sich bis jetzt Widerstand. Hier durfte sogar der sonst überall in Ungnade gefallene Thilo Sarrazin schreiben.

Die Eurorettung begleitete Steltzner kritisch. Er monierte auch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank als Einladung zum Schuldenmachen. Die schleichende Enteignung der Sparer kommentierte er mit den Worten: „Europa wird von immer mehr Bürgern weniger als Versprechen, sondern als Bedrohung wahrgenommen.“

Für seine wirtschaftsliberalen Positionen zeichnete ihn die vom ehemaligen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard gegründete, gleichnamige Stiftung 2016 mit dem Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik aus. Vorsitzender ist Roland Tichy, einst Chefredakteur der Wirtschaftswoche und heute Herausgeber des „liberal-konservativen Meinungsmagazins“ Tichys Einblick. Inzwischen gilt Tichy auch bei FAZ-Redakteuren als „Rechtsaußen“.

Die Stiftung würdigte „seine Kommentare und seine ordnungspolitisch konsequente Haltung zu aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen“. Daß Steltzner „die wirtschaftspolitische Linie des Blattes in hervorragender Weise“ präge, hob die Jury ebenfalls hervor. Damit ist es jetzt vorbei. Die FAZ wird nun wohl auch in diesem Ressort auf regierungs- und EU-nahe Linie getrimmt. Über eine mögliche Nachfolge gibt es noch keine Informationen – in der Branche kreisen Spekulationen, eine Frau könnte den Posten übernehmen.