© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/19 / 29. März 2019

Lebenslänglich Vollpension?
Alimentierte Altpolitiker: Auf Druck des Rechnungshofs schränkt der Bundestag die Zahlungen ein
Jörg Kürschner

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Es kommt nicht allzu oft vor, daß der Bundesrechnungshof (BRH) die Tagesordnung des Bundestags bestimmt. Vergangene Woche war es soweit. Auf der Sitzung des Haushaltsausschusses  stand der Bericht des BRH „über die Prüfung der Versorgung und Ausstattung von ehemaligen Bundespräsidenten, Bundeskanzlern und Bundestagspräsidenten – Teilprüfung Bundeskanzler“. Was war geschehen?

Der Bundesrechnungshof hatte deren Versorgungsregeln massiv kritisiert, einen Automatismus „lebenslanger Vollausstattung“ gerügt. Kosten bis zu 2,3 Millionen Euro fielen jährlich für einen Bundespräsidenten im Ruhestand an, heißt es in dem Bericht. Derzeit sind noch drei Alt-Bundespräsidenten am Leben: Joachim Gauck, Christian Wulff und Horst Köhler. Beispielsweise sei das Büro eines Altbundespräsidenten, dessen Name in dem Bericht nicht genannt wird, 268 Quadratmeter groß und koste 89.000 Euro Miete im Jahr, obwohl die Ex-Staatsoberhäupter „nur durchschnittlich 2,6 Tage pro Monat im Büro“ wirklich anwesend seien und dort häufig ausschließlich private Tätigkeiten verrichten würden. Moniert werden aber auch Ausgaben für Privatreisen, etwa zu „Geburtstagen von Bekannten oder Ehefrauen“ und für einen „Aufenthalt im Freizeitpark“. Häufig seien „hochpreisige Hotels“ abgerechnet worden, etwa für eine Sekretärin ein Zimmer für 320 Euro pro Nacht. Fazit des BRH: Die Ausstattung für die Altpolitiker orientiere sich nicht „an den Grundsätzen von Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit“.

Der Ausschuß zog die Notbremse, wohl auch wegen der unverhältnismäßig hohen Kosten angesichts der eher überschaubaren Repräsentationspflichten der Bundespräsidenten a.D. Die Haushälter wagten sich zwar nicht an den jährlichen Ehrensold von rund 236.000 Euro heran, also an die lebenslange Weiterzahlung der Amtsbezüge, doch werden zusätzliche Einkünfte künftig angerechnet. Das betrifft zum Beispiel Christian Wulff, der im Februar 2012 nach nur 20 Monaten im Schloß Bellevue wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen aufgrund des Verdachts der Vorteilsannahme in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident zurücktreten mußte. Er ist heute als Rechtsanwalt tätig. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat wegen seiner lukrativen Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG wiederholt für Unmut gesorgt. Reisekosten „privater Begleitung“ sollen nicht mehr erstattet werden.

Diese strengeren Regeln gelten ausnahmslos für alle „Ehemaligen“. An die neuen Auflagen für Büros und Personal müssen sich die Altpolitiker dagegen nicht halten. Diese gelten erst für künftige Präsidenten und Kanzler. Auch noch aktive Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) bleiben ausgenommen. „Ein Kompromiß der beteiligten Fraktionen“, kommentierte SPD-Chefhaushälter Johannes Kahrs die Absprache. Maximal ein Büroleiter, zwei Referenten, eine Büro- oder Schreibkraft sowie ein Fahrer sind demnach erlaubt. „Nach fünf Jahren entfällt eine Referentenstelle“, so der Beschluß des Haushaltsausschusses. 

Während die Grünen mangelnde Transparenz beklagen, fordert die AfD deutlich mehr Einschränkungen. Nebeneinkünfte sollen nicht nur auf den Ehrensold angerechnet werden, dieser soll vielmehr halbiert werden. In dem Gesetzentwurf der Fraktion wird auf die ursprüngliche Gesetzeslage von 1953 verwiesen. Sechs Jahre später, am Ende der Amtszeit des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss (FDP), wurde der Ehrensold damals auf die Höhe der Amtsbezüge angehoben, um Kanzler Konrad Adenauer (CDU) den seinerzeit diskutierten Wechsel in das höchste Staatsamt schmackhaft zu machen.

Erfolglose Politiker gehen in die Stiftungen


Während die Regeln für einstige Staatsspitzen aufgrund der Rechtslage öffentlich diskutiert werden müssen, finden parteiinterne Absprachen über finanziell attraktive Jobs oft im verborgenen statt. Jüngstes Beispiel ist der Wechsel des dreifach gescheiterten hessischen SPD-Ministerpräsidentenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel in den Vorstand der staatseigenen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Jahresgehalt 200.000 Euro, 50.000 Euro mehr gegenüber seiner Diät als SPD-Fraktionschef. Bei der GIZ trifft der Hesse auf seine neue Chefin Tanja Gönner, abgehalfterte CDU-Ministerin aus Baden-Württemberg. Gern werden erfolglose Politiker in den parteinahen Stiftungen „entsorgt“. So wurde Thüringens erstem Ministerpräsident Josef Duchac (CDU) 1993 der Rücktritt wegen Stasi-Vorwürfen mit der Leitung der Konrad-Adenauer-Stiftung im sonnigen Lissabon versüßt. Zum Chef der Stiftung stieg Bernhard Vogel (CDU) 1989 auf, nachdem er zuvor als Regierungschef von Rheinland-Pfalz die Unterstützung seiner Partei verloren hatte.
Tragische Züge hatte die Karriere von Uwe Lühr, 1990 letzter direkt gewählter FDP-Bundestagsabgeordneter aus Halle/Saale, der seinen Erfolg der Hallenser FDP-Ikone Hans Dietrich Genscher zu verdanken hatte. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 1998 wurde der einstige Senkrechtstarter später Leiter des Regionalbüros Halle der Friedrich-Naumann-Stiftung. Die Linke Dagmar Enkelmann schließlich verpaßte bei der Bundestagswahl 2013 das Direktmandat. Da war sie schon Chefin der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.