© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/19 / 29. März 2019

Ländersache: Sachsen
Den richtigen Umgang finden
Paul Leonhard


Die entscheidende Schlacht muß die Sachsen-Union im Osten schlagen. Im konservativen Görlitz, der Grenzstadt mit dem schlesischen Herzen, will Ministerpräsident Michael Kretschmer seine Ehre wiederherstellen, indem er in seiner Heimatstadt ein Direktmandat für den Landtag gewinnt. Denn was nützt dem 43jährigen, wenn seine Partei bei den Landtagswahlen am 1. September die meisten Stimmen einfährt, ihm aber jene Wähler, die ihn am besten kennen, wie bei den Bundestagswahlen die kalte Schulter zeigen und auf die AfD setzen?

Daß immer wieder schwarz-blaue Planspiele von Christdemokraten bekannt werden, ist für Kretschmer ein Übel: Er muß zuerst seine persönliche Fehde mit der AfD austragen, ehe er über künftiges Koalieren nachdenken kann. Nach den derzeitigen Prognosen bleiben seiner Partei nur drei Optionen: eine Regierungskoalition mit Linkspartei, SPD, Grünen und FDP, das Wagnis einer Minderheitsregierung oder eben doch Schwarz-Blau. In zwei dieser Fälle müßte Kretschmer wortbrüchig werden, denn Koalitionen mit AfD oder Linkspartei hat er bisher ausgeschlossen.
„Immer ruhig. Mein Wort gilt. Jede Plenardebatte belegt die Unmöglichkeit. Weder von der Programmatik noch von den Personen ist eine Zusammenarbeit mit AfD oder Linke denkbar“, kommentierte Kretschmer die jüngsten Spekulationen über Schwarz-Blau auf Twitter. „Wir stehen für Freiheit, Marktwirtschaft, Europa und den Zusammenhalt der Gesellschaft.“ Letzterer Satz könnte auch vom Politologen Werner J. Patzelt stammen, der am Wahlkampfprogramm der CDU mitarbeit. Patzelt beobachtet seit langem, wie die Sympathisanten von Pegida und AfD ticken, hat letztere sogar beraten. Noch im Juni 2018 hatte er mittels Bild-Zeitung der Sachsen-Union geraten, eine Koalition mit der AfD zu prüfen, „um sich nicht von den Parteien links von der CDU erpreßbar zu machen“. Eine Äußerung, mit der die SPD prompt CDU-Fraktionschef Christian Hartmann unter Druck setzte, der aus Sicht des roten Koaltionspartners eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD nicht deutlich genug verneint, sondern von „Respekt“ vor den Entscheidungen der Wähler gesprochen hatte.

Im Herbst tat Hartmann dann der SPD den Gefallen: „Ich habe weder ein Interesse noch das Ziel, mit der AfD zusammenzuarbeiten“, sagte er der Leipziger Volkszeitung. Die AfD werde zur Landtagswahl der Hauptgegner sein. An der Basis, aber auch in der Landtagsfraktion wird dagegen weiterhin über den Umgang mit der AfD sinniert. Mit der Mitteilung, daß der „Streit über ein Sondierungsangebot“ an die AfD „mittlerweile sogar CDU-Führungskräfte“ spaltet, hat vergangene Woche die in Dresden erscheinende Sächsische Zeitung ohne Namen zu nennen die Diskussion wieder angeheizt. Teile der Sachsen-Union haben erkannt, daß es der AfD auch dank der von Parteisoldaten wie Kretschmer zur Schau getragenen Selbstzufriedenheit gelungen ist, viele politikverdrossene Sachsen zu mobilisieren.

Koalitionsaussagen sollen jedoch weiterhin tabu sein, „weil jeder Hinweis auf eine mögliche Zusammenarbeit von Union und AfD einen für die CDU schädlichen Skandal auslösen würde“, wie Patzelt im Cicero erklärte. Die AfD sei der „zentrale politische Gegner der CDU, den bekämpft man nicht, indem man ihn zum Partner erklärt“.