© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/19 / 29. März 2019

„Einseitige Werte- und Westorientierung“
Wirtschaftspolitik: Das umstrittene chinesische Projekt „Neue Seidenstraße“ hat auch in Europa zunehmend Fürsprecher
Hinrich Rohbohm


Bislang waren nur eher randständige EU-Staaten wie Bulgarien, Estland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, die Slowakei, Slowenien, die Tschechei und Ungarn mit dabei. Doch nun ist es geschehen: Als erstes G7-Land und erstes EU-Gründungsmitglied wird sich auch Italien am chinesischen Projekt „Neue Seidenstraße“ beteiligen.

Vorigen Samstag paraphierten der parteilose italienische Premier Giuseppe Conte und der chinesische Staats-, Militär- und KP-Chef Xi Jinping in Rom ein „Memorandum of Understanding“ über die chinesische „Belt and Road“-Initiative. Neben dieser politischen Absichtserklärung wurden zehn Wirtschaftsabkommen und 19 weitere Vereinbarungen unterzeichnet. „Endlich ist Italien einmal erster“, freute sich Vizepremier und Wirtschaftsminister Luigi Di Maio von der größten Regierungspartei M5S. „Und wenn man die Reaktionen der anderen europäischen Länder sieht, dann erkennt man, daß dies eine große Chance im Handel für unsere Unternehmen ist.“

Wirtschaftliche Ambitionen und strategische Interessen

Italien darf nun Gasturbinen nach China liefern sowie dort Stahlfabriken und Gasnetze aufbauen. Die Bauern können sich über Schweinefleischlieferungen nach China freuen. Besonders symbolträchtig: Die erst im 15. Jahrhundert von China nach Italien gekommenen Apfelsinen werden nun von dort ins Reich der Mitte geliefert. China selbst investiert nicht nur in den Mittelmeerhafen Genua, auch der einstige k.u.k. Adriahafen Triest soll demnächst auf Vordermann gebracht werden.

Ein Blick nach Südostasien zeigt aber, daß die chinesischen Zugeständnisse nicht ohne Nebenwirkungen sind. Kambodscha, Malaysia, Sri Lanka oder die Malediven gerieten so in die Abhängigkeit Pekings (JF 13/19). „China engagiert sich besonders da, wo andere Länder schwach sind und versucht, deren Institutionen in seinem Sinne zu manipulieren“, erklärt ein Vertreter aus dem thailändischen Wirtschaftsministerium der JF. Und: „Die wirtschaftlichen Ambitionen verschleiern lediglich die militärisch-strategischen Interessen. Tatsächlich aber geht es um die Ausbreitung der kommunistischen Ideologie.“

Dies dürfte Italien dazu bewogen haben, die Partnerschaft mit dem Reich der Mitte einzugrenzen. So sollen sicherheitspolitisch sensible Bereiche wie Datentransfer, Telekommunikation und der Energiesektor aus Verträgen mit China herausgehalten werden. Doch gerade diese Bereiche sind es, auf die Peking ein Auge geworfen hat – und wo besonders in Deutschland erfolgversprechende Aussichten winken. Während China in Italien hier noch auf Granit beißt, öffnet Angela Merkel gerade die Türen.

Die Bundeskanzlerin hat sich gegen den Ausschluß des unter Spionageverdacht stehenden chinesischen Konzerns Huawei ausgesprochen. China soll „eine Chance“ beim Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes haben. Patrick Sensburg, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied in jenem Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste beaufsichtigt, meinte im Deutschlandfunk: „Die chinesische Technologie von Huawei ist derzeit auf dem besten technischen Stand. Deswegen sollten wir sie auch einsetzen.“ Dabei haben die deutschen Sicherheitsdienste mehrfach Alarm geschlagen und die Bundesregierung eingehend vor Gefahren durch Spionage und Cyberattacken gewarnt.

Vergeblich. Ebenso verhallten Warnungen aus den USA: Sollte Berlin es zulassen, daß Huawei 5G-Funkmasten in Deutschland baut, sei die bilaterale Geheimdienstkooperation in ernsthafter Gefahr, hieß es aus Washington. Nicht einmal eine militärische Nutzung von 5G schließt Berlin aus. Kürzlich hatte der Kommandeur der Nato-Truppen in Europa, General Curtis Scaparrotti, erklärt, daß sich das Verteidigungsbündnis in diesem Fall nicht mehr mit den deutschen Partnern austauschen könne.

Huawei-Chef Ren Zhengfei, der laut Forbes mit einem Vermögen von 2,1 Milliarden Dollar zu den 100 reichsten Chinesen zählt, arbeitete zuvor als Experte für Militärtechnologie der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Seit 1978 gehört er der KP an. Militärexperten waren es auch, die 1999 Strategien der zivilen Kriegsführung veröffentlichten, die nicht ohne weiteres als feindlicher Akt erkennbar und kaum auf China zurückzuführen sind. So schreiben die Autoren von Qiao Liang, ein Luftwaffengeneral, sowie Wang Xiangsui, Ex-Oberst und heute Professor an der Pekinger Beihang-Universität, in ihrem inzwischen auf englisch übersetzten Buch „Unrestricted Warfare: China’s Master Plan to Destroy America“ (Eco Point Books 2015) offen über zivile Taktiken, mit denen dem Westen erheblicher Schaden zugefügt werden könne.

Neben der Förderung von Terrorismus, Währungsmanipulationen, Manipulationen der Aktien-und Finanzmärkte, Überschwemmung des Westens mit Raubkopien und Produktfälschungen, Internetsabotage und Cyberspionage zählen sie das Herstellen von „Abhängigkeiten eines feindlichen Landes von Gütern und Rohstoffen“ sowie die „Erringung der Kontrolle über Zugang, Verfügbarkeit und Marktwert wichtiger Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas oder Seltene Erden“ als Taktiken auf. Abhängigkeiten, die sich durch neue, von China kontrollierte Handelsrouten verstärken.

Bundesverband Deutsche Seidenstraßen-Initiative

Im Verband Südostasiatischer Nationen (Asean) bedienten sie sich „zumeist einheimischer Lobbygruppen des jeweiligen Landes, um mit ihren Interessen in der Politik Gehör und Einfluß zu gewinnen. Diese Gruppen machen sich dann an Politiker heran, die sich entweder in für China relevanten Schlüsselpositionen befinden oder sich leicht bestechen lassen“, sagt unser thailändischer Informant. Auf diese Weise habe China in seinem Land die Regierung zunehmend weg von den USA hin zu einer verstärkten Annäherung an die Volksrepublik geführt.

Eine Taktik, die offensichtlich auch in Deutschland erfolgreich ist. An diesem Freitag soll der Bundesverband Deutsche Seidenstraßen-Initiative (BVDSI) in Bremen gegründet werden. Als Vorsitzender dieser bereits inoffiziell arbeitenden Institution fungiert Hans von Helldorff, CDU-Ratsherr in dem beschaulichen niedersächsischen Künstlerort Worpswede und Mitglied im Landesvorstand des Bremer CDU-Wirtschaftsrates. Von Helldorff drückt schon jetzt mächtig aufs Gas. In den ARD-Tagesthemen erhielt er jüngst die Gelegenheit, für das Seidenstraßen-Projekt zu werben. Deutschland müsse seine Blockadepolitik gegenüber China beenden, andernfalls würde es von wirtschaftlichen Prozessen abgeschnitten. Die „einseitige Werte- und Westorientierung“ habe schon in der Vergangenheit „zu keinem sinnvollen Ergebnis geführt“, trommelte der Geschäftsführer der adMondo GmbH, eines Unternehmens, das sich nach offizieller Lesart der Kontaktvermittlung mit Politikern und dem Austausch von Ideen widmet.
Kooperationspartner des BVDSI ist der Diplomatic Council, eine Denkfabrik mit Sitz in Wiesbaden. Vorstandsmitglied ist unter anderem Chinas Botschafter Shi Mingde, der dem BVDSI bereits seine Unterstützung signalisierte. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch eine Einschätzung des Direktors des tschechischen „Sinopsis“-Projekts, Martin Hála. Dessen Projekt beschäftigt sich mit dem Einfluß Chinas auf die Politik Europas. „Außerhalb ihrer Grenzen verbreitet die Kommunistische Partei Chinas ihren Einfluß und ihre Propaganda mit Hilfe Dritter, typischerweise lokaler Persönlichkeiten und Organisationen, die über ‘freundschaftliche Kontakte’ an einer Taktik beteiligt sind, die als ‘Einheitsfront’ bekannt ist“, sagte Hála der Bild. Diese Personen ähnelten „Lenins sprichwörtlichen ‘nützlichen Idioten’ und tragen dazu bei, die Botschaften der Kommunistischen Partei in verschiedenen Formen und auf verschiedene Weise im Ausland zu verbreiten.“



Deutsche Seidenstraßen-Initiative (BVDSI):  bvdsi.de/ziele-des-bvdsi


Chinesische "Belt and Road"-Initiative

Die „Neue Seidenstraße“ ist ein von Präsident Xi Jinping 2013 vorgestellter Infrastrukturplan Chinas mit dem Ziel, die Verbindungen zu den asiatischen Ländern, Afrika und Europa zu intensivieren (JF 12/19). Diese „Belt and Road“-Initiative beinhaltet den Bau von Straßen- und Bahnnetzen sowie Häfen, Brücken, Öl- und Gaspipelines. Das über eine Billion Dollar kostende Vorhaben tangiert 60 Prozent der Weltbevölkerung und 35 Prozent der Weltwirtschaft. Formell knüpft China an seine Investitionen keine politischen Bedingungen, jedoch macht das KP-Regime Kreditzusagen davon abhängig, daß bei den Bauprojekten chinesische Unternehmen den Vorzug erhalten, was einer Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit gleichkommt. Zudem vergibt die Volksrepublik ihre Kredite zumeist an bereits überschuldete Staaten, bei denen absehbar ist, daß sie die Anleihen nicht werden zurückzahlen können, wodurch sie künftig unter Pekings Kontrolle geraten.



The Belt and Road Initiative (BRI): eng.yidaiyilu.gov.cn
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