© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/19 / 29. März 2019

Einschüchternder Empfang
Eingang zur Berliner Museumsinsel: Ministerpräsidenten besichtigen die neue James-Simon-Galerie
Martina Meckelein


Nicht kleckern, klotzen ist bekanntlich in Berlin die Devise. Und so hat die Hauptstadt für seine einzigartige Museumsinsel auch eine einzigartige und noch nie dagewesene, vielleicht auch nie benötigte Eingangshalle finanziert bekommen: die James-Simon-Galerie. Sie ist ein Multifunktionsbau für alle fünf Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und soll die Infrastruktur der Häuser auf der Insel bündeln.

Neben Informations- und Kassenbereich sind dort die Garderobe, ein Museumsshop sowie ein Café und Restaurant untergebracht. Als „teuerste Garderobe der Welt“ bezeichnen deshalb die Berliner die Galerie, das behauptet jedenfalls die Berliner Morgenpost. Darüber hinaus gibt es ein Auditorium und einen Raum für Sonderausstellungen in der Galerie. Belief sich die Kostenschätzung im Jahr 2006 noch auf 71 Millionen Euro, finanzierten die Bundesländer und der Bund bisher satte 134 Millionen Euro.

Kein Wunder, daß sich da mal acht der 16 Ministerpräsidenten mit eigenen Augen ein Bild machen wollten, wie ihre vielen Millionen Euro Steuermittel verbaut worden sind. „Das ist bei uns ja nur ein durchlaufender Posten in den Büchern“, so Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Also fragte Ramelows sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer SPK-Präsident Hermann Parzinger nach einem Termin, den Neubau mal unter die Lupe zu nehmen.
Genaugenommen beteiligen sich die Länder zu 25 Prozent an der Finanzierung, 75 Prozent trägt der Bund.

Zum Stelldichein treffen sich die Landeschefs vergangenen Donnerstag am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz an der riesigen Freitreppe. Dann geht es die Stufen hoch. Es windet. Links auf einem monumentalen Podest neun Meter hohe eckige Pfeiler. Der Neubau verdeckt von fern und nah den Blick auf die anderen Gebäude. Drinnen kahle Wände. „Schauen Sie die Sichtachsen an“, schwärmt Parzinger seinen Gästen aus der Landespolitik vor und Daniel Günther (Schleswig-Holstein), Tobias Hans (Saarland), Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt), Bodo Ramelow (Thüringen), Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern), Peter Tschentscher (Hamburg) sowie der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, wenden ihre Blicke nach links und rechts.

Kritik an monumentaler Architektur

Bis in die 1930er Jahre stand hier noch das Schinkelsche Packhaus. Auf der Internetseite der SPK zur Galerie sind zwei Fotos übereinandergelegt: das des Packhauses und das des Ist-Zustands. Architekt David Chipperfield verbaute Sichtbeton, dem er Marmor beimischen ließ. Liegt es daran – oder an den Dimensionen? Einen herzlichen Empfang bereitet die James-Simon-Galerie dem Besucher nicht, eher einen strengen, fast unnahbaren, einschüchternden. Und das mag das Auffallendste an dieser „Garderobe“ sein: Sie ist monumental. Böse Kritiker bezeichnen diese Form im Internet sogar als „Führerarchitektur“. Andere widersprechen: Albert Speer hätte im Vergleich zum englischen Architekten noch zierlich entworfen.

Es ist schon ein Dilemma mit der Galerie: Der Boden, auf dem sie steht, hat es in sich. Das Grundwasser reicht bis zu zweieinhalb Meter unter das Erdreich. Ein Umstand, der allein schon die Sanierungskosten für das Pergamonmuseum in exorbitante Höhen steigen ließ. 2002 wurde deshalb die Planung für einen Eingangsbereich aller Museen auf der Insel vom Finanzministerium gestoppt. Doch Anfang November 2006 gab der Bundestag 73 Millionen Euro für den Neubau frei.

Als Ende November der Plan öffentlich wurde, mehrere ineinander verschachtelte Glaskuben zu bauen, kommentierte die FAZ empört: „David Chipperfields Entwurf für den Eingangsbau ist mißraten.“ Der Architekt habe einen „Baukörper aus Glas und Stahl vorgeschlagen, dem jede Präsenz, jede Aura“ fehle. Der Architekturkritiker Heinrich Wefing schrieb: „... mehr als ein schmuckes Toilettenhäuschen muß es doch sein.“ Sein Artikel ist ein herrlich zu lesender Verriß, selbst den Namen für den „Eingangsbereich“, eben James-Simon-Galerie, mochte Wefing so nicht stehen lassen, er sei „pompös“.

Chipperfield baute den Glas-Beton-Entwurf trotzdem. Nein, nicht in Berlin, sondern etwas graziler in Essen: das Museum Folkwang. Für Berlin konzipierten er und sein Partner einen neuen Entwurf, ohne Glas, aber mit Beton, der sich „direkt aus der antikisierenden Formensprache der Bestandsbauten“, wie es die Deutsche Bauzeitschrift im vergangenen Frühjahr formulierte, entwickelt zu haben schien.
Kritik scheint Parzinger hingegen heute nicht zu berühren. Sein Blick ist in die Zukunft gerichtet: „Als letztes Museum entstand 1930 das Pergamonmuseum“, sagt er. „Die Galerie ist das einzige Gebäude, wo wir die Museen auf der Insel weiterbauen ins 21. Jahrhundert.“
Viel mehr Platz ist ja auch nicht. Und billiger wird es auch nicht. Und da beruhigte es doch die anwesenden Ministerpräsidenten und Oberbürgermeister ungemein zu hören, daß „ihre Beiträge seit 1996 gedeckelt sind“, wie Parzinger ihnen versicherte und sie bittet, der Stiftung doch weiterhin die Treue zu halten.

Bundeskanzlerin eröffnet die Galerie am 12. Juli

Vielleicht braucht Deutschland wieder solche Männer wie James Simon. War der deutsch-jüdische Unternehmer doch einer der bekanntesten Kunstmäzene im wilhelminischen Kaiserreich. Er finanzierte die Grabungen in Tell el-Amarna durch den Ägyptologen Ludwig Borchardt. Die unter anderem dabei entdeckte Büste der Nofretete ging nach damals geltendem Recht in den Besitz Simons über. Später schenkte er sie dem Staat.
Die zwanzig Kilogramm schwere Königin und der Pergamonaltar sind die Besuchermagneten auf der Museumsinsel. Allerdings geben die Besucherzahlen zu denken: 2008 waren es 2,9 Millionen Menschen, neun Jahre später nur 2,3 Millionen. Ob das gigantische Entrée dabei hilft, das Besucherinteresse wieder steigen zu lassen, wird sich zeigen.

Ministerpräsident Bodo Ramelow war allerdings von der Idee begeistert, einen Museumsbesuch in das Programm der Ministerpräsidentenkonferenz einzubauen: „Wenn wir an der Reihe sind, werden wir nach Weimar ins Bauhausmuseum gehen.“ Das wird nach dreijähriger Bauzeit am 6. April erstmals seine Pforten öffnen.
Am 12. Juli dann will Bundeskanzlerin Angela Merkel die neue James-Simon-Galerie eröffnen.