© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

Kommunalwahlen in der Türkei
Zeit für Zugeständnisse
Marc Zoellner

Noch einmal kann Recep Tayyip Erdogan aufatmen: Zwar hatte seine regierende konservativ-islamische AKP in den Kommunalwahlen vom vergangenen Sonntag mit Istanbul und Ankara die beiden wichtigsten Metropolen des Landes an die Opposition verloren. Doch insgesamt konnte sie sich um zwei Prozentpunkte sogar leicht verbessern. Eine knappe Mehrheit seiner Bürger, darf Erdogan das Ergebnis interpretieren, steht weiterhin hinter seinem Umbau der Türkei in eine Präsidialrepublik; hinter seiner Intervention im syrischen Bürgerkrieg; hinter seiner rigorosen Politik gegen die linksradikale PKK und die Gülen-Bewegung.

Doch durch die eklatante Wahlniederlage der nationalistischen MHP droht Erdogan künftig eine gewichtige Stütze seiner Macht wegzubrechen. Die neue Allianz zwischen der kemalistischen CHP und den nationalistischen Abweichlern der IYI-Partei hat dem Präsidenten ernsthaft die Zähne gezeigt – und wurde mit mehreren Achtungserfolgen belohnt. Will Erdogan die Präsidentschaftswahl 2023 überstehen, wird es Zeit, zweckdienlichere Bündnisse als jenes mit der MHP zu schmieden: Nicht mit der CHP, deren politische Visionen sich als unvereinbar mit jenen der AKP erwiesen haben. Die IYI-Partei jedoch steht bereit zur Regierungsverantwortung. Für Erdogan ist es an der Zeit, sich Zugeständnisse an eben diese Opposition abringen zu lassen.