© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

Ländersache: Bayern
Bald Stuttgarter Verhältnisse in München?
Thorsten Brückner

Es war ein Knall mit Ansage. Schon kurz nach der Wahl im Herbst 2018 winkten Parteikenner mit Blick auf die neue AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag ab. Schnell war von einem „zweiten Baden-Württemberg“ die Rede, also dem Szenario einer baldigen Spaltung. Anlaß für diese Vermutung gab es schon damals. Zu offensichtlich der Konflikt zwischen rechten Flügel-Hardlinern und gemäßigten Konservativen. Für letztere steht auch der frühere leitende Polizeidirektor Raimund Swoboda. Der 69 Jahre alte Mittelfranke sorgte vergangene Woche für den lange erwarteten ersten öffentlich ausgetragenen Krach. Er kehrte der Fraktion den Rücken, nicht allerdings ohne noch ordentlich nachzutreten. „Ich will diesen Rechtsruck dieser Fraktion nicht mittragen“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Bei einigen seiner Ex-Kollegen handele es sich um politische Hasardeure, die versuchten mit Kampfrhetorik zu glänzen. Und weiter: Die Einwürfe, das Geschrei und Gebrüll sowie auch die Reden mancher AfD-Politiker zeigten, „daß sie in einer neo-nationalen, extremistischen, anderen Welt leben als ich“. 

Das saß und sorgte neben der Tatsache, daß die AfD mit nun nur noch 21 Abgeordneten bei der Fraktionsstärke hinter die SPD rutschte, gleich für weitere Verwerfungen. Kurz nach der Rücktrittsankündigung meldete sich der ebenfalls dem moderaten Flügel angehörende Franz Bergmüller zu Wort. „Ich hoffe, daß die AfD das Zeichen versteht, das mein Kollege damit auf drastische Weise gesetzt hat“, richtete der Gastwirt aus Oberbayern mahnende Worte an Partei- und Fraktionsführung. Es sei „dringend notwendig, den derzeitigen politischen Kurs der Partei zu überdenken“. Seine Warnung: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, daß die AfD nach rechts abdriftet.“ 

Offensichtlich, wer Adressat von Bergmüllers Kritik war. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner nahm die Stellungnahme des ehemaligen Freie-Wähler-Politikers genau so wie sie wohl gemeint war – persönlich. Ursprünglich war für Dienstag sogar eine Abstimmung über einen Fraktionsausschluß Bergmüllers geplant. Kurz bevor es dazu kam, nahm Ebner-Steiner diesen Punkt jedoch von der Tagesordnung – auf Wunsch der ursprünglichen Antragsteller, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT. Also doch keine Stuttgarter Verhältnisse in München? Zumindest noch nicht. Denn auch Bergmüller weiß: „Das ist ein schwelender Konflikt.“ Seine inhaltliche Kritik erneuerte er: Es entstehe zusehends der Eindruck „daß die Protagonisten des Höcke-Flügels die Mehrheit haben“. Liest man seine Stellungnahme zum vorerst auf Eis liegenden Ausschlußantrag, fällt der Glaube an eine Versöhnung schwer. „Katrin Ebner-Steiner hat durch diesen Rückzieher sicher den für sie besten Schritt getan“, triumphierte er. Die Fraktionsvorsitzende betonte, man habe sich am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung von den Äußerungen Swobodas nach seinem Austritt distanziert. Es gebe also „keinen Kurswechsel“. Man müsse sich nicht lieben, wolle künftig aber konstruktiv zusammenarbeiten.

Den Grund für Swobodas Rückzug verorten einige Ex-Kollegen eher im persönlichen Bereich. Die Klage, er handle aus verletzter Eitelkeit, weil er von der Fraktion nicht in den Innenausschuß berufen wurde, steht ebenso im Raum wie der Vorwurf des Querulantentums.