© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

„Mit dem Anschlag nichts zu tun“
Interview: IBÖ-Chef Sellner über seine Spende, Verfolgungsdruck und das Verhältnis zur FPÖ
Curd-Torsten Weick

Herr Sellner, Sie haben eine Spende von 1.500 Euro von einer Person mit einer E-Mail-Adresse erhalten, die den Namen des Neuseeland-Attentäters Brenton Tarrant enthält. Wann ist diese eingegangen? Wann ist Ihnen die Brisanz aufgefallen? 

Martin Sellner: Die Spende ging in der ersten Januarwoche 2018 ein. Ich merkte mir allerdings den Namen der E-Mail-Adresse nicht. Die Brisanz fiel mir dann erst am vergangenen Wochenende auf, als ich meine Buchhaltung machte. Die Spende stach ob ihrer Höhe heraus und mir fiel die E-Mail-Adresse auf. 

Am darauf folgenden Montagabend (25. März) durchsuchte die Polizei Ihre Wohnung in Wien. Eine Überraschung? 

Sellner: Absolut! Ich hätte mir nicht im Traum einfallen lassen, daß gegen mich einmal wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt werden würde. Ich verstehe bis heute nicht, warum man mich nicht einfach als Zeuge vorgeladen hat und auf welcher Faktenbasis man mich hier als Beschuldigter führt. 

Ist der Verfolgungsdruck durch die Sicherheitsbehörden – auch nachdem die IBÖ-Mitglieder im Januar vom Vorwurf der Gründung einer kriminellen Organisation und der Verhetzung freigesprochen wurden – weiterhin hoch?

Sellner: Ja, absolut. Es gibt ganz offensichtlich einen „tiefen Linksstaat“ in der österreichichen Justiz, dessen erklärtes Ziel die Zerschlagung der Identitären Bewegung ist. Seit Anfang 2018 wird ein aussichtsloses Verfahren nach dem anderen gegen uns gestartete. Jedesmal unter Anwendung der größtmöglichen Repression. Langsam fragen wir uns, ob man hier einen „juristischen Zermürbungskrieg“ gegen uns führt. 

Vor allem FPÖ-Innenminister Herbert Kickl steht vor diesem Hintergrund unter Druck. Der stellvertretende SPÖ-Fraktionsvorsitzende Jörg Leichtfried betonte, daß die Regierung und der Innenminister bei „rechtsextremen Netzwerken und Gefahren“ bisher nur weggeschaut und nichts unternommen hätten. Können Sie dem zustimmen?

Sellner: Das ist himmelschreiende Heuchelei. Wir haben gerade eines der größten Politverfahren hinter uns, in dem der neue Mafiaparagraph erstmals in dieser Form ge- beziehungsweise mißbraucht wurde. Getroffen hat es nicht die Antifa oder eine linksradikale Gruppe, sondern die größte patriotische NGO im Land. 

SPÖ oder Grüne kritisieren immer wieder ein „Naheverhältnis“ zwischen der FPÖ und der Identitären Bewegung. Gibt oder gab es dieses?

Sellner: Nein. Es gibt lediglich ein gemeinsames Themenfeld, das FPÖ, IB, aber auch die ÖVP und viele andere Organisationen, Medien und Einzelpersonen besetzen: Migrationskritik und Identität. 

Was hat Tarrant wohl dazu bewogen, Ihnen Geld zu spenden?

Sellner: Das hängt von zwei möglichen Ausgangslagen ab. Entweder hatte er sich damals noch nicht radikalisiert und glaubte an den demokratischen und friedlichen Aktivismus der IB, oder er hatte im Januar 2018 schon geplant, Terrorist zu werden. Laut seinem Manifest liegt letzteres vor. In dem Fall kann die Spende an eine friedliche Bewegung, die seine Strategie des Akzelerationismus und der Polarisierung hemmt, nur ein Versuch der Sabotage sein.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat angekündigt zu prüfen, ob eine Auflösung der Identitären Bewegung möglich ist. Was erwarten Sie für die Zukunft?

Sellner: Wir sehen dem gelassen entgegen. Einerseits ist es schade, daß sich die Regierung zu unserem Nachteil einmischt und die Verleumdung gegen mich und die IBÖ damit legitimiert. Wir haben mit dem Anschlag nichts zu tun. Ich hätte auch nichts tun können, um zu verhindern, daß er begangen wird. Wenn an der Spende etwas verdächtig gewesen sein soll, warum ist es dann nicht dem Verfassungsschutz aufgefallen, der ja Zugriff auf diese Daten hatte?

Innenminister Kickl erklärte am vergangenen Donnerstag, daß die Landespolizeibehörden ein Auflösungsverfahren eingeleitet hätten, und zwar gegen zwei Vereine in Graz. Wissen Sie Näheres? 

Sellner: Ja, die Landespolizeibehörde prüft die Frage, ob unsere Vereine aufzulösen sind. Alle Experten sagen derzeit, daß das sehr unwahrscheinlich ist. Auch hier besteht kein greifbarer Verdacht. Es geht wie in der ganzen Causa um die Verleumdung und Kriminalisierung unserer Bewegung. Aber ich hoffe, diese Taktik wird nicht aufgehen.