© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/19 / 05. April 2019

Umwelt
Insekten häckseln
Mathias Pellack

Neunzehn von zwanzig Mücken, Mistkäfern und Motten, Bienen und Hummeln schaffen es ein Windrad zu passieren, ohne zu sterben. Fünf Prozent der Insekten enden als Matschrest auf dem Rotorblatt, hat Franz Trieb vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) errechnet. Das klingt nicht viel, doch laut seiner Analyse häckseln die 30.000 Windkraftanlagen in Deutschland im Sommer fünf bis sechs Milliarden Insekten am Tag aus der Luft (Energiewirtschaftliche Tagesfragen 11/18). Jährlich sterben so mindestens 1.200 Tonnen Kerbtiere. Wäre ihre Anzahl noch so groß wie 1990, wären es sogar 3.600 Tonnen. Dies sei ein „hohes Vermeidungspotential“, schließt Trieb wissenschaftlich nüchtern.

Die Rotoren ragen mitten in eine Insektenautobahn voller schwangerer Weibchen.

Fangflüge in der windreichen Höhe der Rotoren bewiesen zuvor, daß die betroffene Luftschicht nicht insektenfrei ist, wie etwa der Gesetzgeber seit Beginn der Ener-giewende annimmt. Vielmehr gleicht es einer Insektenautobahn, die vor allem während der Eiablage genutzt wird. Würden Weibchen mit Hunderten Eiern dann von einem Rotorblatt getroffen, wirke sich das verstärkt aus, so Trieb. Nicht nur Naturfreunde, auch die Windparkbetreiber sollten ein Interesse am Schutz der kleinen Flieger haben. Die Rückstände der Tierchen könnten die Effizienz der Anlagen halbieren, wie 2001 eine Nature-Studie erwies. Neben der wissenschaftlichen Aufzeichnung der tatsächlichen Mengen getöteter Flugtiere regt Trieb an, „rasch und flächendeckend“ die Windkraftanlagen mit Schwarmerkennungssystemen auszurüsten. Bei einem Rückgang der Insektenmasse um 75 Prozent in den vergangenen 30 Jahren ist das sehr zurückhaltend. Ein Stopp des massiven Ausbaus – jährlich kommen etwa 1.000 Anlagen hinzu – zum Schutz der Insekten und der von ihr abhängigen Nahrungskette wäre besser.