© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Vorsicht, Stau!
Bundesverdienstkreuz: Quote für Frauen wirkt sich auf Vergabepraxis aus
Björn Harms

Jahr für Jahr erfüllt die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes Hunderte Männer und Frauen mit Stolz. Zurecht, immerhin ist der Verdienstorden die einzige allgemeine und damit höchste Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland. Auch 2018 wurde die Ehre 906 Männern und 406 Frauen zuteil. Womit zugleich eine seit 13 Jahren geltende Regelung bestätigt wurde. 

Das Bundespräsidialamt hatte beim Amtsantritt von Horst Köhler (CDU) im Jahr 2006 eine Ungerechtigkeit festgestellt: „Obwohl sich Männer und Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft gleichermaßen engagieren“, liege die Zahl der für eine „Auszeichnung angeregten und mit dem Verdienstorden ausgezeichneten Frauen bei nur etwa 18 bis 20 Prozent“, so die interne Bestandsaufnahme. Köhler wollte eine schnelle Lösung: Die Quote mußte her. 

Seitdem wird erbeten, daß etwa 30 Prozent der Vorschläge für Frauen erfolgen. Was auch in allen Jahren ab 2008 erreicht wurde, einigen jedoch nicht weit genug geht. Die Grünen etwa fordern eine paritätische 50/50-Lösung. 

Tatsächlich liegen Frauen und Männer bei der ehrenamtlichen Tätigkeit beinahe gleichauf. Rund 46 Prozent der Männer leisten unentgeltliche Arbeit. Bei Frauen liegt der Wert bei etwa 42 Prozent, wie aus einer Erhebung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom August 2017 hervorgeht. Gleichzeitig heißt es dort: Frauen übernehmen deutlich seltener eine Leitungsfunktion im freiwilligen Engagement. Im Sport etwa sind drei Viertel der Jugendleiter Männer, 84 Prozent sind es in den Vorständen.

Das Problem mit der 30-Prozent-Regelung setzt bereits beim Vergabeverfahren ein: Eine Anregung für das Bundesverdienstkreuz kann generell jeder für jeden aussprechen. Um den Bundespräsidenten auf die herausragende Leistung der jeweiligen Person für das Gemeinwohl aufmerksam zu machen, sei es in der Obdachlosenhilfe, im Stiftungswesen oder im Sport, müssen die Anregungen an die Vorschlagsberechtigten gesandt werden. Das sind in der Regel die Ministerpräsidenten der Länder. Die Staatskanzleien prüfen die Verdienste der Person und reichen die Vorschläge an die Ordenskanzlei im Bundespräsidialamt weiter. 

Hier liegt die Krux. Ein Beispiel: In den vergangenen fünf Jahren wurden von der Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern 134 Ordensanregungen aus der Bevölkerung geprüft. Unter den Vorschlägen lag die durchschnittliche Frauenquote pro Jahr bei rund 21 Prozent. Damit die Staatskanzlei auf die vom Bundespräsident geforderten 30 Prozent kommt, müßte also – unabhängig von jeweiligen Verdiensten der Person – die Quote bereinigt werden.

„Es ist teilweise zu Verzögerungen gekommen“

Mitunter kann sich das auch auf die Dauer der Prüfungsverfahren bei Männern auswirken. Bekannt wurde der Fall des Magdeburger Musikwissenschaftlers Wolf Hobohm, über den die Lokalzeitung Volksstimme berichtete. Durch die 30-Prozent-Hürde, das erklärte die zuständige Staatskanzlei dem Landesmusikrat, entstehe ein Stau, „der nach Eingangsdatum der Anregungen abgebaut wird“. Mit anderen Worten: Hobohm mußte lange auf das ihm zustehende Bundesverdienstkreuz warten.

Ein Einzelfall? Oder wirkt sich die Frauenquote häufiger auf die Dauer der Prüfungsverfahren bei Männern aus? „Es ist bekannt, daß es teilweise zu zeitlichen Verzögerungen gekommen ist“, bestätigt die Ordenskanzlei des Bundespräsidialamts der JUNGEN FREIHEIT. Die Bayerische und die Niedersächsische Staatskanzlei bekräftigen den Verdacht: „In Einzelfällen ist es zu Verzögerungen gekommen“, teilten sie der JF mit. 

Eines jedoch versichert das Bundespräsidialamt: „Ob es zu einer Verleihung kommt, hängt – unabhängig vom Geschlecht – immer von den konkreten Verdiensten der vorgeschlagenen Personen ab.“