© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Die Familie vergrößern
EU-Rechtsfraktion: Matteo Salvinis „Europäische Allianz der Völker und Nationen“ präsentiert neue Partner / Weitere sollen hinzukommen
Marco F. Gallina

Matteo Salvinis Auftaktveranstaltung für den EU-Wahlkampf begann mit einer Enttäuschung: Weder die Fidesz von Viktor Orbán noch die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) entsandten Vertreter nach Mailand. 

Mit beiden Parteien hatte Salvini direkten Austausch gesucht, in der Hoffnung, ein vereintes rechtes Bündnis zu schmieden. Auch alte Weggefährten wie Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National (früher: Front National), Geert Wilders von der niederländischen Freiheitspartei oder Harald Vilimsky von der FPÖ überließen neuen Gesichtern das Feld.

Lega-Chef Salvini wußte zu beruhigen: Le Pen sei wegen einer Wahlkampfveranstaltung in der Bretagne verhindert, und es ergebe keinen Sinn, eine Pressekonferenz mit vielen Teilnehmern zu veranstalten, die dann zu unüberschaubar werde. „Unsere Botschaft ist, daß wir die Familie vergrößern wollen und daß wir jetzt damit beginnen, an einem neuen europäischen Traum zu arbeiten. Heute ist Europa für viele ein Alptraum.“

Die erweiterte Familie trat in Gestalt der Dänischen Volkspartei und der Finnen-Partei auf, die im EU-Parlament derzeit noch den „Konservativen Reformern“ (EKR) angehören, sowie der AfD vom „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ (EFDD). Salvini repräsentierte das „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF). Nicht die Vielzahl von Parteien, sondern der Charakter einer Brücke zwischen den drei Rechtsfraktionen im EU-Parlament spielte demnach die Hauptrolle. Le Pen hatte sich bereits im Vorfeld mit Salvini getroffen und angekündigt, zur Vertretung des ENF reiche dessen Anwesenheit vollkommen aus. „Ich habe“, so Salvini weiter, „die Ehre, alle Bewegungen zu vertreten, die historisch mit der Lega alliiert sind.“ 

„Die Nostalgiker sitzen in Brüssel“

Salvini wie der AfD-Vertreter Jörg Meuthen machten deutlich, daß auch nach dem Mailänder Treffen im Fünf-Sterne-Hotel „Gallia“ weitere Parteien zum Bündnis hinzustoßen könnten. Ein klares Signal, daß Salvini seinem „Held“ Orbán wie auch der PiS weiterhin die Türe offenhalten wird; ebenso ein Zeichen an die spanische Rechtspartei Vox und die Niederländer vom Forum für Demokratie, die zwar in Mailand anwesend waren, aber in der Vergangenheit mit einer Mitgliedschaft in der EKR-Fraktion geliebäugelt hatten.

Die Schwedendemokraten, die traditionell mit der Dänischen Volkspartei und der Finnen-Partei alliiert sind, könnten ihren skandinavischen Schwesterparteien folgen.

Unter dem Titel „Europa del buonsenso“, ein „Europa des gesunden Menschenverstands“ (der offizielle deutsche Slogan spricht von „Vernunft“), stellte die noch zu gründende Fraktion der „Europäischen Allianz der Völker und Nationen“ (EAPN) ihre Leitlinien vor. „Wir sind keine Nostalgiker. Die Nostalgiker sitzen in Brüssel. Wir schauen in die Zukunft“, begann Salvini. „Wir arbeiten dafür, daß Arbeit, Familie, Sicherheit, Umweltschutz und die Zukunft der Jugend wieder im Zentrum stehen.“ 

Als italienischer Innenminister wisse er außerdem zu gut, daß nicht Rechts- oder Linksextremismus, sondern islamischer Terror die größte Bedrohung sei. Zu lange habe außerdem die Brüsseler Bürokratie Europa nach unten gezogen, die Völker Europas müßten wieder im Mittelpunkt stehen: „Wir wollen die Europäische Union so reformieren, daß wir mehr Macht an die Mitgliedstaaten zurückgeben.“ 

Der finnische Vertreter Olli Kotro pflichtete Salvini bei und beklagte den Zentralismus innerhalb der EU. Außerdem müsse die europäische Kultur gestützt werden, statt sie im Namen einer „fremden Kultur zu opfern“. Ähnlich argumentierte Anders Vistisen von der Dänischen Volkspartei, der vom Schutz der Vielfalt der europäischen Kulturen sprach. Meuthen unterstrich, daß die Gründung der EAPN ein „Startschuß für etwas Neues“ sei. Nicht willkommen seien „Sozialisten, Kommunisten, Ökofaschisten und Extremisten – und zwar aus dem linken wie aus dem rechten Lager“. Alle Teilnehmer betonten die Notwendigkeit sicherer Grenzen. 

Die Anwesenden zeigten sich zudem zuversichtlich, bei der EU-Wahl 120 Mandate zu erreichen. Das ist äußerst ambitioniert: Derzeit verfügt die ENF über 37 Mandate im Plenum. Zudem hegt die EAPN Regierungsambitionen – Lega, FPÖ und Dänische Volkspartei sind Koalitionspartner in ihren jeweiligen Heimatländern. 

Eine Kandidatur zum EU-Kommissionspräsidenten schloß Salvini jedoch aus. Er stellte zudem ein großes Treffen der europäischen Rechten am 18. Mai in Aussicht: „Auf dem Mailänder Domplatz mit vielen Flaggen, jungen Leuten und Familien, für ein neues Europa mit allen Verbündeten.“ Volksfeststimmung garantiert, wie man es von Salvini kennt.