© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Eigener Herd ist Goldes wert
Immobilienmarkt: Wer vor Jahren rechtzeitig ein Haus gekauft hat, ist heute vor Mieterhöhungen gefeit
Markus Brandstetter

Wir nehmen zwei ganz gewöhnliche deutsche Ehepaare: die Schröders und die Hubers. Beide sind in den meisten Punkten vergleichbar. Die Schröders wie die Hubers sind Anfang sechzig, beide wohnen in Mannheim, haben zwei Kinder. Mit einem Haushaltsnettoeinkommen von jeweils 3.200 Euro gehören sie zur Mittelklasse. Allerdings gibt es einen Unterschied: Die Hubers wohnen im eigenen Haus, die Schröders zur Miete.

Fast alle Zeitungen redeten und reden den Menschen ständig ein, daß es zwischen Mietwohnung und Eigenheim keinen Unterschied gäbe. Anlagespezialisten erklären andauernd, daß Aktien im Vergleich zu Immobilien die viel bessere Geldanlage darstellten, aber eine simple Vermögensrechnung zeigt, daß die Hubers in ihrem Leben viel mehr Vermögen aufgebaut haben als die Schröders – und das ist nur einer von vielen Vorteilen.

Die Hubers haben ihr Einfamilienhaus auf einem 500-Quadratmeter-Grundstück im Stadtteil Lindenhof im Jahr 1992 für 220.000 Euro gekauft – mit 20 Prozent Eigenkapital und 176.000 Euro über die Sparkasse finanziert. Rechnet man zwei Sondertilgungen ein und berücksichtigt man, daß die Hubers vor der Nullzinspolitik der EZB für ihre Hypothekendarlehen zwischen vier und fünf Prozent Zins im Jahr bezahlen mußten, dann hat es exakt 27 Jahre gedauert, bis die Hubers ihr Häuschen im März 2019 abbezahlt haben. In all diesen Jahren lagen die Monatsraten der Hubers erst bei 1.500 Mark und später bei 1.000 Euro, was bedeutet: Inklusive Nebenkosten haben die Hubers all die Jahre ihr halbes Einkommen in ihr Haus gesteckt. Was wiederum heißt: Die Hubers mußten sich viele Jahre lang nach der Decke strecken – dicke Autos und teure Urlaube waren nie drin, Frau Huber hat immer nebenher gearbeitet, und die Huber-Kinder finanzierten sich ihr Studium durch Nebenjobs selbst.

Bei den Schröders ist es anders gelaufen. Die wohnen auch in Lindenhof, aber in einem renovierten Mietshaus aus dem Jahr 1951, das einer Genossenschaft gehört. Für ihre 100 Quadratmeter mit Balkon zahlen die Schröders im Monat 750 Euro Kaltmiete, mit Nebenkosten kommen sie auf 950 Euro. Die Schröders hatten also nach Abzug der Kosten für das Wohnen die meiste Zeit deutlich mehr Geld als die Hubers. Deshalb haben sie immer neue und teurere Autos gefahren als die Hubers, machen dreimal im Jahr Cluburlaub und zeigen ihren Besuchern stolz die neue Ledersitzgruppe, ihre mittlerweile dritte Küche und einen schaufenstergroßen Fernseher.

Hauseigentümer sind reicher geworden

Viele Journalisten empfahlen über Jahre das Modell Schröder und gossen über Leute wie die Hubers, die ihr Haus über Jahrzehnte abstottern, Hohn und Spott aus. Das Eigenheim sei keine Vermögensanlage, sondern ein „Buch mit sieben Siegeln“, ein „Klumpenrisiko“ oder eine „Geldvernichtungsmaschine“. Jetzt hat ausgerechnet das wahre Leben solche „Experten“, die mit ihren Beispielrechnungen immer so klug in die Zukunft blickten, spektakulär widerlegt. Denn seit 2011 steigen die Immobilienpreise in Deutschland. Gleich von Anfang an kamen die üblichen Unkenraufe: Kann nicht lange dauern, trifft nur auf wenige Großstädte zu, betrifft nur Eigentumswohnungen, stimmt nur bei Neubauten.

Alles falsch. Die Preise steigen seit Jahren kontinuierlich, und zwar für alle Immobilien: Häuser und Wohnungen, Alt- und Neubauten. Ein Ende ist nicht in Sicht. Es ist richtig, daß die Immobilienpreise stärker in Süddeutschland als im restlichen Deutschland steigen, daß in den Top-7-Städten (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart) die Preise besonders heftig nach oben gingen – aber inzwischen hat die Welle das ganze Land erfaßt: In 94 Prozent aller Regionen sind, wie die FAZ schreibt, die Preise in den vergangenen fünf Jahren zwischen zehn und 65 Prozent gestiegen, nur in der Region Perleberg (Brandenburg) und in Nordwestmecklenburg sind sie gefallen. Das bedeutet: Fast jeder, der eine Immobilie gekauft hat, ist inzwischen damit reicher geworden. Wer aber auf Wirtschaftsjournalisten und Vermögensberater gehört und keine gekauft hat, der ist jetzt damit konfrontiert, daß er sich möglicherweise nie mehr eine Immobilie leisten kann und lebenslang die steigenden Mieten bezahlen muß – oder für Haus und Garten viel mehr als früher hinlegen muß. Eine Immobilie ist die beste Sparbüchse für Ruhestand und Alter, wie das Beispiel der Schröders und der Hubers eindrucksvoll zeigt. Das Haus der Hubers ist heute 550.000 Euro wert, und da Einfamilienhäuser in Mannheim ausverkauft sind, irgendwann auch bestens zu verkaufen. Die Hubers wollen in ihrem abbezahlten Haus noch viele Jahre leben, die monatlichen Kosten von 500 Euro für Gas, Strom, Wasser, Kanal, Grundsteuer und Renovierungen schaffen sie locker.

Bei den Schröders sieht die Sache anders aus. In deren Bankdepot liegen Effekten, die heute 35.000 Euro wert sind. Weil sie auf türkische, lateinamerikanische und brasilianische Indizes setzten, haben sie sogar Geld verloren. Und da sie den Rest ihres Lebens zur Miete wohnen müssen, sind sie den Mieterhöhungen der nächsten 20 Jahre schutzlos ausgeliefert.