© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Mit Walmart-Konzept kein Glück gehabt
Deutscher Einzelhandel: Nach der Übernahme von Kaiser’s-Tengelmann durch Edeka droht nun das Aus für die Supermarktkette Real / Profiteur Kaufland?
Carsten Müller

Die Deutschen bleiben in Kauflaune. Eine nach wie vor gefühlt gute Wirtschaftslage spült steigende Umsätze in die Kassen der Einzelhändler. Und das gilt nicht nur für das boomende Internet-Geschäft, sondern auch für den stationären Handel. So verbuchte der deutsche Einzelhandel im Februar mit real 4,7 Prozent den stärksten Umsatzzuwachs seit Oktober 2018. Dennoch: Es bleibt ein mörderischer Konkurrenzkampf, insbesondere im Bereich Lebensmittel und tägliche Waren.

Vor drei Jahren sorgte die durch eine Sondererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zustande gekommene Übernahme von Kaiser’s-Tengelmann (450 Filialen, JF 4/16) durch Edeka für Aufsehen. Demnächst könnte eine weitere bekannte Marke verschwinden: Die 1992 entstandene Supermarktkette Real steht zum Verkauf.

Hinter dem Konkurrenten von Kaufland (Schwarz-Gruppe/Lidl) und Globus (Familienkonzern Bruch) liegt eine lange Leidensgeschichte. Jahrelange Versuche des Mutterkonzerns Metro, Real wieder profitabel zu machen, mißlangen. Was an deutschen Besonderheiten liegt: Real versuchte sich nicht nur als Lebensmittelhändler, sondern bot in seinen riesigen Filialen auch Produkte vom Zahnstocher bis zum Rasenmäher an.

Doch schon das Scheitern der US-Handelsgiganten Walmart in Deutschland hatte gezeigt, daß diese Art eines Vollsortiments bei den Deutschen nicht so gut ankommt wie in Amerika oder China. Das lag nicht nur daran, daß beispielsweise die Verkäufer bei Arbeitsbeginn in Firmenuniform gemeinsam die Walmart-Hymne singen mußten. Zu groß war die Konkurrenz von Spezialisten wie Baumärkten, Drogerien und Lebensmittelhändlern. Dennoch übernahm Real 2006 die 85 meist defizitären Walmart-Märkte. Mit der Aufspaltung des alten Metro-Konzerns in die Elektronik-Holding Ceconomy (Saturn, Mediamarkt) auf der einen und Metro als Großhändler auf der anderen Seite begann die Uhr bei Real zu ticken.

Zerschlagung ist höchst wahrscheinlich

Und sie steht nun fünf vor zwölf, denn bei Metro steht selbst ein Umbruch an. Großaktionär Haniel zieht sich schrittweise zurück. In seine Fußstapfen trat der Brünner Energieoligarch Daniel Kretínský (EPH, Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft, JF 37/18), der voriges Jahr 10,9 Prozent von Haniel und Ceconomy erwarb. Darüber hinaus bestehen Kaufoptionen für die restlichen 15,2 Prozent von Haniel und 5,4 Prozent von Ceconomy. Doch diesen Deal dürfte der 43jährige Kretínský, dessen Lebensgefährtin die Tochter des Prager Multimilliardärs Petr Kellner (JF 40/16) ist, erst dann über die Bühne bringen, wenn das Thema Real abgeschlossen ist. Entsprechend drückt Metro aufs Tempo. Doch angesichts der Marktkonzentration in Deutschland dürfte das Kartellamt eine Übernahme durch einen anderen Handelskonzern ablehnen. Deshalb sind nur noch zwei Immobilieninvestoren im Rennen. Denn die Real-Liegenschaften sind das Wertvolle an der Handelskette. In der Metro-Bilanz stehen sie mit einem Wert von 900 Millionen Euro.

Egal, wer letztlich den Zuschlag bekommt: Eine Zerschlagung von Real ist unter diesen Voraussetzungen höchst wahrscheinlich. 214 Real-Filialen spielen bei der Rechnung keine Rolle, denn sie sind nur angemietet. Im Kern geht es um die verbliebenen 65 eigenen Immobilien. Hierbei kommt Kaufland ins Spiel, Hauptmieter von Einzelhandelsobjekten der beiden verbliebenen Real-Bieter Redos und x+bricks. Klaus Gehrig, Leiter der Muttergesellschaft Schwarz-Gruppe und Aufsichtsrat-Chef von Lidl und Kaufland, hat schon erklärt, daß er mindestens hundert Real-Filialen übernehmen wolle. Inwieweit das umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten. So oder so werden sehr wahrscheinlich etliche Filialen geschlossen und Tausende Stellen verlorengehen. Denn die Metro als Verkäufer wird sich nicht auf lange Spielchen einlassen. Das Geld, was der Verkauf einbringen soll, wird dringend gebraucht, um sich auf den Großhandel zu konzentrieren.

 www.real.de