© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

„Ich mag Ihnen nicht mehr folgen“
Katholische Kirche: Wenn Papst Franziskus sein Amt mit dem des Weltenlenkers verwechselt, ist er fehl am Platz
Matthias Matussek

Verehrter Papst Franziskus, nein, ich mag Ihnen nicht mehr folgen, weder als Katholik noch als Publizist, und ihr Auftritt in Marokko hat mir den Rest gegeben.

Wie alle Welt war ich zunächst beeindruckt von Ihrer Bescheidenheit, mit der Sie die Nachfolge Petri angetreten haben, Sandalen, „bon prazzo“, der zerbeulte alte Renault usw.

Doch schon mit dem Erscheinen der ersten Fanmagazine, dem Cover des Rolling Stone, den ostentativen Fußwaschungen, ja der Seligsprechung durch ansonsten glaubensferne linksorientierte Zeitungen zum „Anti-Trump“, dem Sie auf den offiziellen Fotos des Vatikan nur Gram und Abscheu zeigten, wurde mir unwohl. Mußten Sie Ihr politisches Bekenntnis derart beleidigend mit dem Amt des Hirten verwechseln?

Als Sie vom Wall Street Journal zum „Führer der globalen Linken“ ernannt wurden, haben Sie nicht etwa protestiert – mit den einzig angebrachten Worten, nämlich, daß Sie sich als Hirte der ganzen katholischen Welt verstehen –, sondern Sie haben sich wohlgefühlt mit dieser Etikettierung. Offenbar vertreten Sie nur jenen Teil der ihnen anvertrauten Herde, der Ihren linksperonistischen Prägungen entspricht.

Zunehmend entdeckte ich den Schauspieler in Ihnen. Ihr Ernst glitt in meinen Augen ab zur Frömmelei und Ihre Impromptu-Interviews zu einem hanebüchenen Kauderwelsch aus Plattitüden und Paradoxien – mit zumindest sehr eigenwilligen Auslegungen der katholischen Lehre, die, wie wir doch wissen, nicht dem Tagesgeschmack entsprechen sollten, sondern der ewigen Wahrheit verpflichtet sind, für die unsere von Gott selbst eingerichtete Kirche steht.

Ihre Saloppheiten zur Kindererziehung („Ein Klaps tut ab und zu gut“), zur Homosexualität („Wer bin ich, der darüber richten sollte“), zum katholischen Sexualleben („Die müssen sich ja nicht vermehren wie die Karnickel“) Ihre erratische Personalpolitik, die nur „Höflinge“ (Kardinal Müller) duldet – das alles geschenkt!

Daß Sie, der Stellvertreter Gottes auf Erden, das Kirchenvolk befragen lassen, um in Fußnoten kanonisches Recht zu ändern, ist immerhin seltsam für den Nachfolger Petri.

Seit Sie sich allerdings in die Migrationsfrage einmischen und sich dabei dem Islam an die Brust werfen, wie Sie es in Abu Dhabi und jüngst in Marrakesch taten, kann ich Ihnen nicht mehr folgen. In meinen Augen ist die Kirche der Gegenentwurf zur Tagespolitik, Ihr Pontifikat dagegen wurde zum verlängerten Arm der UN.

Der italienische Geschichtsprofessor Roberto de Mattei hat völlig recht, wenn er feststellt: „Die Kirche verzichtet auf ihren Auftrag, der die Rettung der Seelen zum Ziel hat, um sich in eine Gesellschaft für das materielle Wohlergehen der Menschen zu verwandeln. Sie entfremdet sich ihrer Natur, sie entartet.“

Franziskus fordert komplette Freizügigkeit nach Europa und Fürsorge dort, zumeist für Muslime – ohne Rücksicht auf die Ausblutung der Heimatländer und die Überlastung der Zielländer. Was der katholischen Soziallehre diametral widerspricht.

Er predigte darüber Anfang Februar in Abu Dhabi, wo Christen ghettoisiert und schikaniert werden, und er fügte in einer eigenwilligen Bibel-Interpretation hinzu, daß eine Vielzahl von Religionen Gottes Wille sei – kennt er nicht das Wort: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater außer durch mich“? 

Er predigte über das Recht auf Immigration nun auch in Marrakesch, wo vor vier Monaten der ominöse Global Compact for Migration ratifiziert wurde. Kein Wort verlor er über die rigide islamische Politik gegenüber den Christen, die mit dem ‘Verbrechen der Missionierung’ inhaftiert werden und die Karwoche nur heimlich begehen dürfen.

Er spricht, gemeinsam mit seinen Gastgebern, vom Islam als einer Religion des Friedens, ohne mit einem Wort die Massaker zu erwähnen, die im Namen Allahs an Hunderttausenden Christen verübt wurden und werden. Statt dessen beschied er die marokkanischen Bischöfe, die auf deutliche Worte warteten, mit dem Satz: „Die Christen sind in diesem Land nur eine kleine Minderheit. In meinen Augen stellt diese Tatsache aber kein Problem dar, auch wenn ich zugestehe, daß das manchmal für einige schwer zu leben ist.“ 

Schwer zu leben? Zynischer geht es wohl nicht. Selbst mein ungläubiger Freund, der Publizist Alexander Wallasch (www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/papst-franziskus-auf-mission-fuer-zuwanderung-aus-afrika-nach-europa/) konnte sein Befremden kaum verhehlen: Sollte der Oberhirte nicht energischer für seine Herde eintreten?

Darüber hinaus scheint diesem Politpapst eine neue Weltordnung samt Bevölkerungspolitik vorzuschweben: In einer Konferenz mit den indigenen Völkern sprach er von der Mestizierung der One World, der großen bunten Durchmischung, der Auflösung von Nationen und Ethnien, als habe er sich in ein Redemanuskript von Claudia Roth verirrt.

Wenn der Pontifex Maximus sein Amt mit dem des Weltenlenkers verwechselt, ist er fehl auf dem Posten. Kennt er nicht die Antwort Jesu vor Pilatus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“?

Die verhängsvolle religiöse Appeasement-Politik dem Islam gegenüber – und das ausgerechnet in Gegenden der christlichen Märtyrer, die für das Kreuz sterben – macht mir diesen Papst unheimlich. Was ist seine Agenda? Warum bringt er nicht endlich Licht in die Skandale seiner Amtszeit als Bischof von Buenos Aires. Er schweigt beharrlich – es wird – was für ein Lacher! – mit den ignatianischen Exezitien begründet. Welche lehramtlichen Überraschungen wird er auf der Amazonas-Synode im Herbst aus dem Ärmel ziehen?

Aber was weiß ich schon, ich bin nur ein kleiner kirchengläubiger Katholik, der sonntags zur Messe geht und gelegentlich zur Beichte, und der sich durch diesen Papst nicht vom Glauben abbringen lassen wird, deshalb überlasse ich das Schlußwort einem Gelehrten, dem bereits erwähnten Roberto de Mattei. Welche Bilanz also zieht er unter die letzten sechs Jahre des Franziskus-Pontifikats?

„Als Jahre der Heuchelei und Lügen. Jorge Mario Bergoglio wurde gewählt. weil er ein ‘demütiger und zutiefst spiritueller Bischof’ zu sein schien (so begrüßte ihn Andrea Tornielli in La Stampa), einer, der ‘die Kirche reformieren und reinigen würde’. Aber nichts davon ist geschehen. Der Papst hat die korruptesten Prälaten weder aus der Römischen Kurie noch aus ihren individuellen Diözesen entfernt. Das hat er nur dann getan, wenn er wie im Fall [des ehemaligen US-Kardinals Theodore] McCarrick von der öffentlichen Meinung dazu gezwungen wurde. In Wirklichkeit hat Papst Franziskus sich selbst als politischster Papst der vergangenen 100 Jahre offenbart.“

PS: Wie sehr sich auch der deutsche Episkopat der islamophilen Ausrichtung des Franziskus unterworfen hat, zeigt, daß ein von mir vorgeschlagenes öffentliches Gespräch mit dem syrisch-katholischen Patriarchen vom Hamburger „Flüchtlingsbischof“, Stefan Heße, ohne Begründung abgesagt wurde – der Patriarch hätte einiges zu erzählen gehabt über die politisch motivierte Kälte der deutschen Bischöfe gegenüber dem Leiden der syrischen Christen. Gott sei Dank gibt es Ausnahmen wie den Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke, der sich gerade nach Damaskus aufgemacht hat, um sich und seiner Gemeinde ein Bild zu verschaffen.