© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Eine leidenschaftlich geführte  Kontroverse ist allemal besser als ein stillschweigender vermeintlicher Konsens.


Sonntagsspaziergang durch die Gartenstadt Frohnau, die Keimzelle des gleichnamigen Berliner Villenviertels. Der azurblaube Himmel sendet wärmende Sonnenstrahlen, die Luft riecht nach Frühling, in den Vorgärten der Mehr- und Einfamilienhäuser blühen die Magnolienbäume in den prächtigsten Farben und streicheln die großstädtische Seele. Von einem Spielplatz dringt fröhliches Kinderlachen. Zwei Harley-Fahrer tuckern auf ihren mattschwarzen Maschinen gemächlich vorbei, halten an der Eisdiele „Dolce Vita“, vor der sich stets eine lange Menschenschlange bildet. Auch die umliegenden Cafés sind stark frequentiert, freie Plätze Mangelware. Ich ziehe weiter und stoße auf einen Gedenkstein für Guido Graf Henckel Fürst von Donnersmarck, Begründer der Gartenstadt. Dem aus einem seit dem frühen 17. Jahrhundert in Oberschlesien ansässigen Adelsgeschlecht stammenden Großindustriellen, befreundet mit Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler Otto von Bismarck, schwebte eine Kolonie nach englischem Vorbild vor. Die Siedlung wurde zwischen 1908 und 1910 angelegt und parzelliert. Zehn Jahre später erfolgte ihre Eingemeindung nach Groß-Berlin. Heute zählt Frohnau in puncto Lebensqualität zu den besten Adressen der Hauptstadt. Die ansonsten schwer verwahrloste „failed City Berlin“ ist hier so weit entfernt wie die Galapagosinseln. 


„Die kalte Schnauze eines Hundes ist erfreulich warm gegen die Kaltschnäuzigkeit mancher Mitmenschen.“ (Ernst R. Hauschka, 1926–2012, deutscher Aphoristiker, Lyriker, Essayist und Bibliothekar)


Auf dem Friedhof Frohnau, entworfen von dem Berliner Gartenarchitekten Ludwig Lesser, findet sich die Ehrengrabstätte für Oskar Loerke (1884–1941). In Westpreußen geboren, lebte und starb der Lyriker, Essayist, Literaturkritiker und Cheflektor des S. Fischer Verlages in Donnersmarcks Gartenstadt. Loerke gilt als Vertreter eines „magischen Naturrealismus“, der unvergeßliche Zeilen dichtete: „Das Mondlicht räumt den Alltag aus. / Es knackt im Holz: / Ein alter Wald geht durch das Haus.“


Über zweitausenddreihundert Jahre hinweg in den Wind gesprochen: „Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr.“ (Demosthenes, griechischer Redner, 384–322 v. Chr.)