© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/19 / 12. April 2019

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Am 14. Januar wurde Cesare Battisti verhaftet. Anfangs Kleinkrimineller, dann Kopf der linksterroristischen Proletari Armati per il Comunismo (PAC), der „Bewaffneten Proletarier für den Kommunismus“, die in den „Bleiernen Jahren“ zahlreiche Tötungsdelikte, Anschläge und Raubüberfälle begingen. Nach seiner Festsetzung durch die italienischen Behörden 1981 konnte Battisti aus dem Gefängnis nach Frankreich fliehen, dann entzog er sich der Strafverfolgung durch den Weggang nach Brasilien, zuletzt nach Bolivien, wo man seiner nun doch habhaft wurde. Bemerkenswert an einem Interview, das er La Stampa gegeben hat, ist weniger das Geständnis, persönlich an vier Morden, schweren Körperverletzungen und anderen Delikten beteiligt gewesen zu sein, als vielmehr der Hohn, mit dem er seine Sympathisanten bedenkt: „Ich war niemals ein unschuldiges Opfer. Ich habe mich über diejenigen lustig gemacht, die mir geholfen haben“. Die Liste der solchermaßen Düpierten ist lang und liest sich wie das Who’s Who der Kaviarlinken: von den sozialistischen Staatspräsidenten François Mitterrand (der ein eigenes Dekret zum Schutz Battistis gegen Auslieferung erlassen hatte) und François Hollande über den Sänger Georges Moustaki und die Schriftstellerin Frédérique Audoin-Rouzeau (auch in Deutschland bekannt unter dem Namen „Fred Vargas“) bis zu einer ganzen Reihe anderer aus dem Kulturbetrieb der romanischen Länder.

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Seit einigen Monaten tobt auf der griechischen Insel Lesbos ein „Krieg ums Kreuz“. Mittlerweile hat die Polizei der Hafenstadt Mytilini 33 Personen festgenommen, die ein großes Kreuz aus Metall neben einer Nationalflagge aufgerichtet hatten. Sofort war eine Nichtregierungsorganisation zur Stelle und schwärzte die einheimischen Initiatoren an, die das friedliche Zusammenleben mit den mehrheitlich muslimischen „Geflüchteten“ störten, die massenhaft auf Lesbos ankommen.

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„Unsere Geschichtslektionen drehten sich um die Könige und Königinnen, die Großbritannien regierten, das ‘Great British Empire’, unsere starken und mächtigen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und die beiden Weltkriege, Hitler und die bösen Deutschen. Wir alle haben Deutschland gehaßt. Wir haßten Deutsche, unsere Eltern haßten Deutsche, und auch ihre Eltern haßten sie. Es war einfach so. Auf dem Schulhof sangen wir sogar einen Reim, wenn wir keine Entscheidung treffen konnten. Dieser lautete wie folgt: ‘There’s a German in the grass, with a bullet up his ass, pull it out pull it out like a good boy scout and O-U-T spells OUT.’“ (Die Journalistin Clare Langhammer über ihre Jugend im Großbritannien der 1980er Jahre.)

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Ulf Poschardt, der Chefredakteur der Welt, hat sich in einem Meinungsbeitrag über die unsachliche Kritik eines taz-Autors beschwert. So weit, so verständlich. Was allerdings irritiert, ist das merkwürdige Wohlwollen Poschardts gegenüber der „alternativen“ Tageszeitung. Das gipfelt in dem bedauernden Schlußsatz seines Textes: „In schwierigen Zeiten wäre eine kluge Linke hilfreich und wertvoll. Sie ist nicht in Sicht.“ Und das, obwohl in derselben Ausgabe des Springerblatts Katja Kipping, die eine Vorsitzende der Postkommunisten, die Gelegenheit bekommen hat, ein klitzekleines bißchen die rote Fahne zu schwenken: „Mehr Rebellion wagen“ heißt ihr Text. Der folgt einem anderen, ebenfalls in der Welt abgedruckten, mit dem sie unmittelbar nach dem Attentat von Christchurch vor der wachsenden rechten Gefahr warnen durfte. Man fragt sich, was eigentlich passieren müßte, damit Björn Höcke einmal so ein bißchen „Mehr Rebellion wagen“ dürfte oder Alexander Gauland nach dem nächsten islamistischen Anschlag auf der ersten Seite zu Wort käme, um vor den Folgen liberaler oder linker Zuwanderungspolitik zu warnen. Allerdings weiß jeder, daß das nicht passieren wird, weil das Juste milieu und die Qualitätsjournale immer Richtung links schielen, darauf konditioniert, daß der zuletzt doch die Zukunft gehört, keinesfalls einer „klugen Rechten“, die „hilfreich und wertvoll“ sein könnte.

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Die jüngsten Berichte über „Clan-Kriminalität“ verstören durch ihren eklatanten Mangel an sprachlicher Sensibilität. Selbst wenn man davon absieht, daß durchgängig von „Tätern“, nie von möglichen „Täterinnen“, die Rede ist, womit einem sexistischen Stereotyp Vorschub geleistet wird, bleiben doch eine ganze Reihe bedenklicher verbaler Entgleisungen, die betroffen machen. Da wird notorisch von „arabischen Clans“ gesprochen, was nur davon ablenkt, daß es hier um ein „hausgemachtes“ Problem geht, für das letztlich wir verantwortlich sind. Anstatt sich zu schämen, ob der Defizite unserer Willkommenskultur und des Fehlschlags der Integration, lenkt man einen Generalverdacht auf ganze Menschengruppen und setzt sie so den rassistischen Angriffen (und sicher auch der Islamophobie) der Immer-noch-Mehrheitsgesellschaft aus.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 26. April in der JF-Ausgabe 18/19.