© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

„Wenn die linke Seite einmal hustet“
Kriminelle Vereinigung: Das Verfahren gegen das Zentrum für politische Schönheit bringt den ermittelnden Staatsanwalt in Bedrängnis
Björn Harms

Rund 16 Monate lief das Verfahren gegen das Zentrum für politische Schönheit (ZPS) wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Nach wie vor sorgt es vielerorts für Empörung (JF 16/19). Auch die erste Riege der bundesrepublikanischen Kulturschaffenden, unter ihnen Herbert Grönemeyer und Jan Böhmermann, sah sich kürzlich genötigt, in einem offenen Brief für das selbsternannte Künstlerkollektiv Partei zu ergreifen und vor einem Verlust der Kunstfreiheit zu mahnen. 

Dem Internet-Blog Netzpolitik.org liegen nun die Ergebnisse der Ermittlungsarbeit vor, verpackt in einer 83 Seiten dicken Akte. Sie bestehe im wesentlichen aus einer einleitenden Notiz des ermittelnden Staatsanwalts Martin Zschächner, aus Zeitungsartikeln, zwei Anzeigen von Privatpersonen und der mehrfachen Bitte um Akteneinsicht seitens der Anwälte des ZPS, heißt es in dem Bericht. Demnach leitete Zschächner ausweislich eines von ihm am 29. November 2017 gefertigten Vermerks die Ermittlungen von Amts wegen ein, wie auch das Thüringer Justizministerium der JUNGEN FREIHEIT bestätigte. Wenige Tage zuvor hatten die „Aktionskünstler“ des ZPS um ihren Chef Philipp Ruch den Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals im thüringischen Bornhagen errichtet, direkt neben dem Grundstück des AfD-Landessprechers Björn Höcke. 

„Das Verfahren dient der Ermittlung, ob durch das ZPS – wie von ihm selbst verlautbart – in organisierter Weise gegen den Abgeordneten Höcke und dessen Familie Abhör- und Ausspähmaßnahmen stattgefunden haben oder stattfinden sollten“, begründete Zschächner sein Vorgehen. Kunstfreiheit sei dabei nur vorgeschoben, befand er. Das Zentrum wolle unter dem Deckmantel der künstlerischen Betätigung in Wirklichkeit „rein politische Ziele mit Methoden der Gewalt und der Drohung“ erreichen. Den Initiatoren sei daran gelegen, „geheimdienstliche Tätigkeiten in eigener Regie auszuführen“ – so weit die Vorwürfe. 

Passiert ist seit Ermittlungsbeginn jedoch kaum etwas. Die Akte blieb liegen. Es wurden keine Zeugen befragt, niemand wurde abgehört, wie es bei Ermittlungen nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch möglich ist. Das ZPS mußte keine Einschränkungen befürchten. Fraglich, warum das Verfahren überhaupt aufgenommen wurde. Viel Lärm um nichts also?

Eine Einzelfallweisung habe es nicht gegeben

Noch am 5. April hatte Thüringens Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als „rechtsstaatlich konsequent und nicht politisch motiviert“ bezeichnet. Die Landesregierung habe Einzelfallweisungen an die Staatsanwaltschaft grundsätzlich eine Absage erteilt, was auch in diesem Fall gelte. Das mediale Gewitter am folgenden Wochenende konnte er da noch nicht absehen. So berichtete die Zeit über eine Spende Zschächners an die AfD über 30 Euro. Weitere Interna aus dem Leben des Staatsanwalts wurden in die Öffentlichkeit gezerrt, von ihm aus fadenscheinigen Gründen eingestellte Verfahren wegen Volksverhetzung kritisch hinterfragt. Der Tenor: Zschächner sei eindeutig politisch befangen. Wie habe die Thüringer Justiz dem Treiben nur so lange zusehen können?

Am darauffolgenden Montag vollzog das Justizministerium eine Kehrtwende. Das Ermittlungsverfahren gegen den Gründer des ZPS sei nach einer Besprechung zwischen dem Leiter der Staatsanwaltschaft Gera, dem Generalstaatsanwalt und Justizminister Lauinger eingestellt worden, hieß es aus der Behörde. Martin Zschächner wurde kurzerhand versetzt und als Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Gera abberufen. 

Das Justizministerium weist den Vorwurf der politischen Einflußnahme von sich. „Der ursprüngliche Anfangsverdacht aus dem Jahre 2017 hat sich nicht bestätigt“, begründet Pressesprecher Oliver Will gegenüber der jungen freiheit die Einstellung des Verfahrens. Eine Einzelfallanweisung habe es selbstverständlich nicht gegeben.

Der justizpolitische Sprecher der thüringischen CDU-Landtagsfraktion, Manfred Scherer, jedenfalls fand deutliche Worte. „Ich finde es schon erschreckend, wenn die linke Seite einmal hustet und der Herr Justizminister sofort über das Stöckchen springt“, beklagte er sich im MDR. Dies habe nichts damit zu tun, ob die Einstellung richtig oder falsch sei, sie möge sogar „durchaus richtig sein“, so der ehemalige Innenminister von Thüringen. „Aber wie es jetzt dazu gekommen ist, ist in meinen Augen ein starkes Stück.“ 

Ähnlich sah es auch der AfD-Landesvorsitzende Stefan Möller. „So geht mediale Hetzjagd à la DDR – diesmal auf einen Staatsanwalt, der sich gegen den totalitär linken Zeitgeist stemmt und für das Recht fechtet“, befand der Jurist.