© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der kleine Ruck
Christian Vollradt

Daß an der Spitze der CDU nicht Friedrich Merz, sondern Annegret Kramp-Karrenbauer (kurz AKK) steht, werten manche als einen letzten, wenn auch knappen Sieg ihrer Vorgängerin Angela Merkel. Eine enge Zusammenarbeit mit ihrem Langzeitrivalen Merz ist der Bundeskanzlerin so erspart geblieben. Doch eitel Sonnenschein herrscht auch im Verhältnis der beiden Politikerinnen nicht (mehr). Im Gegenteil, es knirscht zwischen AKK und „Mutti“, so rauscht der Flurfunk im Konrad-Adenauer-Haus.

Und mehrere Indizien bestätigen das. So berichtete die Welt am Sonntag, die Kanzlerin werde nicht an der gemeinsamen Auftaktveranstaltung von CDU und CSU zum Europawahlkampf Ende April in Münster teilnehmen. Und das, obwohl sich die CDU-Vorsitzende die Anwesenheit Merkels gewünscht habe – und bisher auch von deren Kommen ausgegangen sei.

Auch nicht teilgenommen hatte Merkel an den sogenannten Werkstattgesprächen der CDU zur Asylpolitik im Februar. Wie aus der Partei zu hören war, hatte es im Vorfeld aus dem Kanzleramt Versuche gegeben, auf die Themensetzung Einfluß zu nehmen – am Ende allerdings ohne großen Erfolg. Ist die kalte Schulter, die Merkel nun der CDU zeigt, die Revanche dafür? Zweites Indiz sind die jüngsten Medienberichte, wonach sich Kramp-Karrenbauer und der ihr unterlegene Friedrich Merz angenähert hätten und in ständigem Austausch stünden. Angeblich – das meldet zumindest der Spiegel – habe AKK dem Wirtschaftsexperten einen Kabinettsposten in Aussicht gestellt, sollte sie eines Tages Merkel an der Regierungsspitze beerben. Merz äußerte sich im Gegenzug stets betont loyal: „Ich möchte, daß AKK als Vorsitzende der CDU erfolgreich ist. Und dazu kann ich und dazu will ich beitragen“, schrieb der Mann aus dem Sauerland auf Twitter.

Auffällig ist zudem, daß die heftige Kritik unionsnaher Wirtschaftskreise an Ressortchef Peter Altmaier ausgerechnet den treuesten der Treuen unter Merkels Mitstreitern trifft. Als Urheber dahinter wittern Vertraute des Wirtschaftsministers (und der Kanzlerin): Friedrich Merz, der scharf auf den Posten – nur eben nicht unter Merkel – sei. Der wiederum sah sich zur Klarstellung veranlaßt, er habe sich überhaupt nicht zum Wirtschaftsminister geäußert.  

Mancher vom konservativen Flügel hält indes das ganze Gerede von den Spannungen zwischen den beiden Politikerinnen für eine Inszenierung. Kramp-Karrenbauer wolle sich damit äußerlich bewußt von Merkel absetzen, um die von deren Linkskurs enttäuschten Parteifreunde wieder einzufangen. Dazu verabreiche sie allerdings bloß Beruhigungsmittel in homöopathischen Dosen. Eine echte Korrektur sei nicht zu erwarten. Als Beleg führen diese Kritiker die Erzählung vom Verlauf eines ersten Treffens zwischen der CDU-Vorsitzenden und dem neuen Chef des Parteinachwuchses, Tilman Kuban, an. Der hatte sich in einer Kampfabstimmung gegen den – von der Parteiführung präferierten – liberaleren Stefan Gruhner durchgesetzt. Die Stimmung beim Antrittsbesuch Kubans bei AKK sei recht frostig gewesen, hörte man danach von Vertrauten des JU-Chefs.