© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

Bibi kannibalisiert seine rechten Partner
Israel: Wahlsieg mit Hindernissen / Springt nur einer von Netanjahus potentiellen Koalitionspartnern ab, stünde seine Regierung ohne eine Mehrheit da
Thorsten Brückner

Zum bereits fünften Mal wird Benjamin Netanjahu mit der Bildung einer Regierung beauftragt werden. Trotz Korruptionsvorwürfen und der Ankündigung von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit, ihn in Kürze anzuklagen, haben sich die Bürger Israels erneut für Bibi entschieden. Größere Veränderungen zwischen Netanjahus Mitte-Rechts- Block und dem diesmal vom ehemaligen Generalstabschef Benny Gantz geführten Mitte-Links-Lager gab es im Vergleich zur vergangenen Wahl kaum.

 Allerdings ging diesmal noch stärker als beim Urnengang 2015 der Erfolg des Likud, der mit 36 Sitzen stärkste Kraft wurde, auf Kosten kleinerer Rechtsparteien. Die Partei des ehemaligen Likud-Politikers Moshe Feiglin, Zehut, die sich für eine Annexion der Westbank und die Legalisierung von Cannabis einsetzt, scheiterte an der 3,25-Prozenthürde – obwohl Umfragen Feiglin einen relativ klaren Einzug in die Knesset vorausgesagt hatten.

Trumps Friedensplan setzt Netanjahu unter Druck

Noch unerwarteter kam das Abschmieren der „Neuen Rechten“. Die von Bildungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ayelet Shaked ins Leben gerufene Neugründung, die sich zum Ziel gesetzt hatte, säkularen wie religiösen Rechten eine Heimat zu bieten, scheiterte laut vorläufigem Endergebnis um 1.461 Stimmen an der Sperrklausel. Hätten es die „Neue Rechte“ und „Zehut“ in die Knesset geschafft, wären die Optionen Netanjahus für die Bildung einer stabilen Regierung deutlich größer.

 Die 65 Mandate, die das rechte Lager erringen konnte, bedeuten: Springt nur einer von Netanjahus potentiellen Koalitionspartnern ab, stünde seine Regierung ohne eine Mehrheit da. Ein enormes Erpressungspotential für Verbündete wie den Vorsitzenden von „Israel, unser Haus“, Avigdor Lieberman, der durch seinen Rücktritt als Verteidigungsminister im November die vorgezogenen Neuwahlen erst ausgelöst hatte.

 Aber auch programmatisch sind die ersten Konflikte der neuen Regierung bereits am Horizont erkennbar. Etwa der Friedensplan von US-Präsident Donald Trump zur Lösung des Nahostkonflikts, dem sich Trumps engster Verbündeter Netanjahu nicht ohne weiteres entziehen kann. Für mögliche Räumungen von Siedlungen im Westjordanland fehlt ihm aber schlicht die Mehrheit, da dies zumindest die „Vereinigte Rechte“ von Rafi Peretz kaum mitmachen wird.

 Eine komfortable Mehrheit von 71 Sitzen hätte hingegen eine „große Koalition aus Netanjahus Likud und „Blau-Weiß“. Zu dieser Variante hatte es aber bereits sowohl aus dem Likud als auch aus den Reihen von „Blau-Weiß“ kritische Stimmen gegeben.

So könnte sich bereits bei einer Anklagerhebung gegen den Premierminister ein Koalitionspartner – etwa Moshe Kahlons „Kulanu“ – verabschieden und somit erneut für vorgezogene Neuwahlen sorgen.

 Für einen Rekord dürfte Netanjahus neue Amtszeit aber zumindest gut sein. Im Sommer wird der 69 Jahre alte Politiker der am längsten amtierende Ministerpräsident in der Geschichte des jüdischen Staates sein – länger sogar als Staatsgründer David Ben Gurion. Als Netanjahu 1996 das erste Mal in das Amt gewählt wurde, war der große Gegner seines Likuds noch die Arbeitspartei, die das Land von 1948 bis 1977 ununterbrochen regiert hatte. Sie ist unter ihrem Vorsitzenden Avi Gabbay an einem neuen Tiefpunkt angekommen: Nur noch sechs Sitze konnte die Partei Ben Gurions, Eshkols, Meirs und Ra-bins diesmal erringen – weniger als beide ultraorthodoxen Parteien.