© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

Zeitschriftenkritik: Tumult
Liberaler Totalitarismus
Werner Olles

In Deutschland reift etwas Aberwitziges heran: ein liberaler Totalitarismus.“ Frank Böckelmann, Herausgeber von Tumult, der „Vierteljahresschrift für Konsensstörung“, kommt bereits im ersten Satz seines Vorworts zur Frühjahrsausgabe 2019 auf den Punkt. Die Demokratie hierzulande stehe schon seit geraumer Zeit unter einer „wohlmeinenden Vormundschaft“, im Kampf gegen „den Bastard ‘Populismus’“ nehme sie zusehends „inquisitorische Züge“ an. Die „Losungen der liberalen Utopie“ führten heute ins Totalitäre, weil sie das Interesse der Autochthonen entwerteten. „Die Propaganda der Toleranz duldet keine Abstufungen zwischen Nächsten, Nahen, Fernen und Fernsten.“ Es sei verwerflich, Unterschiede zu machen, schreibt Böckelmann.

Über die „Prophezeiungen des Nikolaj Dimitrijewitsch Kondratjew, einen 1892 geborenen russischen Ökonomen, der 1938 wegen des angeblichen Versuchs, den Kapitalismus zu restaurieren, von den Sowjets erschossen wurde, berichtet der Politikwissenschaftler Michael Böhm. Locker widerlegt er das fadenscheinige Argument der Linken, das immer noch den „Mythos 1968“ speist, die Achtundsechziger hätten gegen „das Spießige der Adenauerzeit opponiert, Emanzipation und sexuelle Revolution vorangetrieben“. So bot Beate Uhse bereits 1951 Bücher, Kondome etc. zur „Ehehygiene“ an, und die „Aufarbeitung“ der NS-Vergangenheit begann 1945 mit den Prozessen in Dachau und Nürnberg sowie Egon Kogons Buch „Der SS-Staat“ (1946). Auch die Aussage über Demokratie und Offenheit in Schulen und Universitäten, die die 68er angeblich „erkämpften“, sei Unsinn. Das Gegenteil sei der Fall, es fand durch Gewalt erzeugter Zwang zu linkem „Denken“ statt, das bis heute Hochschulen, Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Verbände und die sogenannte „Zivilgesellschaft“ vergiftet. Peter Sloterdijks schöner Satz „Alle Wege der 68er führten letzten Endes in den Supermarkt“ trifft den Nagel auf den Kopf, die „Pluralisierung der Lebensformen“ schuf willige Konsumenten und neue Mächte, die Kondratjew bereits in den 1920er Jahren voraussah. „Die 68er probten somit nichts anderes als die Revolte des digitalen Zeitalters gegen die analoge Epoche – den Aufstand des Mobiltelefons gegen die Telefonzelle.“ 

Siegfried Gerlich widmet sich im zweiten Teil seines Beitrags „Black & White“ der Virulenz der Rassenfrage in den USA. Er erinnert an den radikalen Schwarzenführer Marcus Garvey, der eine inneramerikanische Rassentrennung propagierte, um von Harlem aus die Gründung eines rein schwarzen Staates auf afrikanischem Boden vorzubereiten. Das Projekt „schwarzer Zionismus“ scheiterte ebenso wie sein Versuch einer Allianz schwarzer Segregationisten mit dem Ku-Klux-Klan, auch wenn er seine „schwarzen Zionisten“ zu den „ersten Faschisten“ erklärte und Mussolini vor-warf, „unseren Faschismus kopiert“ zu haben.

Drei weitere Beiträger befassen sich mit der Islamisierung Deutschlands und Westeuropas.

Kontakt: Frank Böckelmann, Nürnberger Str. 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 10 Euro.

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